Datum15.10.2025 08:34
Quellewww.zeit.de
TLDROlaf Scholz trat in Potsdam auf und beantwortete Fragen von rund hundert Zuhörern. In einem entspannten Format äußerte er Hoffnungen auf die Beendigung des Welthungers und den Klimaschutz, geriet jedoch nicht in Jubelstürme. Während seine ehemaligen Ampelkollegen sich von der Politik zurückgezogen haben, bleibt Scholz im Bundestag, wo er keine kritischen Reden hält. Auf Fragen zur Regierungszeit schob er Verantwortung anderen zu, ohne Ansätze zur Aufarbeitung oder Profilschärfung anzudeuten.
InhaltAnders als die Ampelmitstreiter ist Olaf Scholz in den Hinterbänken des Bundestags abgetaucht. Nun aber stellt sich der Altkanzler in einem Potsdamer Kino allen Fragen. Am Dienstagabend sitzt Olaf Scholz auf der Bühne im Thalia-Kino in Potsdam. Rund hundert Personen haben sich eingefunden, um sich mit dem Kanzler außer Dienst auszutauschen. Ein junger Mann steht auf: "Herr Scholz, wovon träumen Sie?", will er wissen. Scholz' Mitarbeiterin richtet ihr Handy auf das Podium und beginnt zu filmen – eine Steilvorlage für Social Media, wenn Scholz jetzt nur etwas Knackiges sagt. Der Altkanzler räuspert sich. Er hoffe, dass es in diesem Jahrhundert gelinge, den Welthunger zu beenden, sagt er. Und Bildung für alle zugänglich zu machen. Die Demokratie zu retten und den Klimawandel aufzuhalten. Zuversicht, sagt der Altkanzler, sei das Stichwort. Na sowas. Der Mann im Publikum setzt sich wieder, Scholz' Mitarbeiterin nimmt das Handy runter. Niemand applaudiert. Der Ton für den Abend ist gesetzt. Olaf Scholz hat es nicht leicht. Seine ehemaligen Ampelkolleginnen und -kollegen haben sich allesamt aus dem Staub gemacht. Annalena Baerbock erfindet sich als Carrie Bradshaw der UN in New York neu, Christian Lindner und Robert Habeck haben der Politik den Rücken zugekehrt, der eine Richtung Wirtschaft, der andere Richtung Diskurstheater. Scholz aber, der frühere Chef, bleibt als einfacher Abgeordneter im Bundestag zurück. Noch dazu als Mitglied einer Regierungsfraktion. Reden hält er keine, auch einem Ausschuss gehört er nicht an. Scholz kann auch schlecht Kritik üben, möchte er SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil nicht untergraben. Und so sah man ihn zuletzt oft mit verschränkten Armen in den hinteren Reihen des Plenarsaals sitzen und mit Saskia Esken tuscheln. Der Abend im Thalia-Kino ist Scholz' erster größerer Auftritt seit Ende der Kanzlerschaft. Es wäre auch die Möglichkeit, ein knappes halbes Jahr nach der Wahl eine neue Rolle zu finden. Geladen hat die ehrenamtliche Studierendeninitiative Studopolis. Im Publikum sitzen überwiegend Menschen in ihren Zwanzigern. Der Saal ist gut gefüllt, überraschenderweise aber nicht ausgelastet, einige Sitze bleiben leer. Bei Habeck ist immer ausverkauft, bei Merkel auch. Das Gesprächsformat ist simpel. Im Publikum geht ein Mikrofon herum, jeder darf alles fragen. Für Scholz ein dankbares Konzept: Kritische Nachfragen gibt es so keine. Stattdessen große Sprünge zwischen den Themen. Wie zufrieden er mit dem Wahlergebnis der Bundestagswahl war, will jemand wissen. Scholz ist grundsätzlich zufrieden, immerhin ist die SPD wieder in der Regierung. Gleichzeitig liege ihm die AfD "auf dem Magen". Ob er manchmal Impostor-Syndrom habe, fragt jemand anderes. Immerhin habe er die Kanzlerschaft nur gewonnen, weil seine Gegenkandidaten so schlecht waren. Ob er heute Soldaten in die Ukraine schicken würde. Wie die Zusammenarbeit mit Trump war. Fragen zur Ampel kommen wenige. Aber ähnlich wie seine Ampelkollegen scheint Scholz eine Aufarbeitung ohnehin nicht im Sinn zu haben. Welche Sache aus der Regierungszeit er heute anders machen würde, möchte jemand wissen. Olaf Scholz hat sich eine Antwort zurechtgelegt: das Heizungsgesetz, dessen miserable Kommunikation praktischerweise dem grünen Koalitionspartner angelastet wird. Überhaupt sei die Kommunikation mühselig gewesen, sagt er, "weil der Einigungswille bei einigen unterentwickelt war". Schuld sind die anderen. Die Ergebnisse der AfD? Rechtsextreme sind europaweit auf dem Vormarsch, sagt er. Ein komplexes Problem, über das man lange reden könnte. Keines, das zur Ampel gehört. Um Verantwortung geht es an diesem Abend nicht. Auch nicht um Profilschärfung. Nach so einer Kanzlerschaft machen sich die Abgedienten für gewöhnlich an die Geschichtsschreibung. An das Nachruhmmanagement. Kohl wurde zum Kanzler der Wiedervereinigung, Gerhard Schröder ging als großer Wirtschaftsreformer (und später als Putin-Gehilfe) in die Geschichtsbücher ein. Dann kamen 16 Jahre Merkel, in denen Scholz als Minister, zuletzt als Vizekanzler diente.