Datum15.10.2025 06:00
Quellewww.zeit.de
TLDRDer Elbtower in Hamburg, ursprünglich als neues Wahrzeichen gefeiert, ist aufgrund finanzieller Probleme des Investors René Benko derzeit unvollendet. Die Stadt Hamburg hat nun beschlossen, als Teileigentümer in den Bau einzugehen, um dort ein Naturkundemuseum unterzubringen, da dies kostengünstiger ist als ein eigenständiger Neubau. Derweil steht Benko wegen Betrugs und Untreue vor Gericht. Die Stadt sieht den Einstieg als Win-win-Situation und plant, den Bau voranzutreiben, um die inaktive Baustelle sinnvoll zu nutzen.
InhaltDie Elbvertiefung am Mittwoch – mit einem Elbtower-Spezial: Wie es auf der Baustelle weitergeht und wie der Prozess gegen Pleite-Investor René Benko läuft Liebe Leserin, lieber Leser, auf meinem Arbeitsweg fahre ich jeden Tag an einem Mahnmal vorbei. "Hybris aus Stahl und Beton, 2023" – das könnte auf der Plakette stehen, stünde dieses Werk in einem Museum, aber natürlich ist hier nicht von einem echten Kunstwerk die Rede, sondern vom "kurzen Olaf", ich meine: vom Elbtower. Als 2018 die ersten Pläne vorgestellt wurden, feierten Lokalmedien den Turm als neues Wahrzeichen Hamburgs. Olaf Scholz, der das Bauprojekt politisch eingetütet hatte, sagte damals noch voller Hoffnung: "Ich möchte, dass die Hamburgerinnen und Hamburger, wenn es fertig ist, sagen: Das hat der Scholz gut gemacht." 245 Meter hoch sollte der Turm werden, entworfen vom Stararchitekten David Chipperfield, finanziert vom österreichischen Immobilienunternehmer René Benko und dessen Signa-Gruppe. Ein Ausdruck von Selbstbewusstsein und wirtschaftlicher Stärke, Beweis dafür, dass Hamburg ganz groß denken kann. Hach ja. Heute steht der Turm halb fertig an den Elbbrücken, wie ein Regal, das man mal voller Elan bestellt und dann nie fertig zusammengebaut hat. Nur fehlten in diesem Fall keine Schrauben, sondern es fehlte Geld. 2023 wurde der Bau gestoppt, weil der Investor Signa offene Rechnungen nicht mehr begleichen konnte, kurz darauf meldete die Immobiliengruppe Insolvenz an. Die Frage, wie es mit dem 100 Meter hohen Rohbau des Turms weitergehen soll, war lange offen. Der Senat beabsichtige "definitiv nicht, sich mit eigenem Kapital an der Fertigstellung zu beteiligen", betonte Bürgermeister Peter Tschentscher noch im letzten Sommer. Obwohl der Elbtower da schon als möglicher Standort für das neue Naturkundemuseum im Gespräch war. "Wäre es nicht günstiger für die Stadt, selbst in den Bau einzusteigen, als am Ende die Museumsflächen teuer von einem privaten Investor anzumieten?", dachte sich mein Kollege Christoph Twickel schon Anfang 2024 und forderte: "Baut ihn doch selbst!" (Z+) Vielleicht hat jemand im Senat aufmerksam die ZEIT gelesen. Gestern jedenfalls wurde bekannt: Die Stadt finanziert den Weiterbau des Elbtowers mit, um später wie geplant darin das Naturkundemuseum unterzubringen. Spannende Idee! Mehr zu diesen Plänen lesen Sie heute im "Thema des Tages". René Benko, der Investor, der hoch hinaus wollte, steht derweil vor Gericht. Nach der Insolvenz soll er versucht haben, Vermögenswerte beiseitezuschaffen. Gestern begann der Prozess gegen ihn, einige weitere Verfahren dürften folgen – es geht um Betrug, Untreue, verschiedene Korruptionsdelikte. Mehr über das System Benko lesen Sie heute im "Satz". Wie der erste Prozesstag verlaufen ist, erfahren Sie hier. Ich bin gespannt, wie der Elbtower am Ende aussehen wird, auf das Museum freue ich mich. Bisher ist der Turm ja leider kein Wahrzeichen, sondern ein Lehrstück – dafür, dass große Versprechen manchmal wenig Substanz haben. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag! Ihre Annika Lasarzik Wollen Sie uns Ihre Meinung sagen, wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben Sie uns eine E-Mail an hamburg@zeit.de. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid für strengere Klimaziele fordert die Initiative "Hamburger Zukunftsentscheid" vom Senat einen konkreten Plan, wie die Stadt bis 2040 klimaneutral werden und das erste Zwischenziel 2026 erreichen will. Sprecherin Lou Töllner betonte: "Die Bürgerinnen haben den Senat in die Pflicht genommen, sozialen Klimaschutz umzusetzen und nicht umgekehrt." Unterstützung erhält die Initiative unter anderem von Transformationsforscherin Maja Göpel, die den Entscheid als notwendigen Schritt und starkes Signal über Hamburg hinaus bezeichnete. Bei einer groß angelegten Aktion gegen Gewaltkriminalität hat die Bundespolizei am Wochenende an den Hauptbahnhöfen in Hamburg, Bremen und Hannover mehr als 1.200 Personen kontrolliert und fast 2.200 Durchsuchungen durchgeführt. Dabei wurden unter anderem zehn Messer, eine Schreckschusspistole und mehrere Pfeffersprays sichergestellt sowie zwei Haftbefehle vollstreckt. In Hamburg fanden die Beamtinnen und Beamten bei einem 32-Jährigen einen Schreckschussrevolver samt Munition und einen Schlagring – gegen ihn wird nun wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt. In der Innenstadt haben am Dienstag rund 600 Stadtbedienstete für eine monatliche Sonderzulage von 300 Euro demonstriert. Mit dem Warnstreik wollen die Gewerkschaften erreichen, dass Beschäftigte sich die hohen Mieten und Lebenshaltungskosten in der Stadt besser leisten können. Die Finanzbehörde lehnt die Forderung jedoch ab und plant stattdessen 100 Euro mehr im Monat für besonders belastete Bereiche wie Kundenzentren. • Während der Herbstferien rechnet der Hamburger Flughafen mit wöchentlich rund 370.000 Passagieren; wie im Vorjahr steuern die Airlines mehr als 120 Ziele an – die meisten Flüge gehen nach Antalya und Palma de Mallorca • Am Montag gegen 13 Uhr ist in der U-Bahn-Station Billstedt eine 55-jährige Frau von einem Unbekannten rassistisch beleidigt, ins Gesicht geschlagen und getreten worden; die Polizeit sucht nun Zeuginnen und Zeugen • Rund sechs Wochen nach dem Verschwinden eines 46-jährigen Mannes im See Hinterm Horn in Allermöhe hat die Polizei eine Leiche gefunden, deren Identität aber noch ungeklärt ist Die Stadt Hamburg steigt als Teileigentümerin beim Bau des Elbtowers ein, um dort das Naturkundemuseum unterzubringen. Der Senat spricht von einer "Win-win-Situation". Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Text von Christoph Twickel. Es kommt nicht oft vor, dass der Hamburger Senat Ratschläge der ZEIT-Redaktion annimmt – und umsetzt. Im Fall des Elbtower-Torsos – im Volksmund "kurzer Olaf" genannt, weil Ex-Bürgermeister Olaf Scholz das inzwischen gestoppte Hochhausprojekt einst angeschoben hatte – ist es nun passiert. In einem Text mit dem Titel Baut ihn doch selbst! (Z+) hatten wir der Stadt im Januar 2025 nahegelegt, die Baustelle als Eigentümerin oder zumindest Teileigentümerin zu übernehmen. Schon damals plante der Senat, das neue Naturkundemuseum im unteren Drittel des Elbtowers unterzubringen. Warum also nicht gleich das ganze Gebäude erwerben, statt später große Teile davon anzumieten? Offenbar fand diese Idee Anklang. Der Hamburger Senat hat nun den groben Fahrplan für den Bau des Naturkundemuseums vorgestellt. Der Kern des Konzepts: Die Stadt steigt als Co-Investorin gemeinsam mit einem Konsortium um den Hamburger Immobilienunternehmer Dieter Becken ein – und baut den Turm selbst zu Ende. Warum? Weil es günstiger und schneller ist als jede Alternative. "In der Kosten-Nutzen-Analyse steht der Elbtower klar auf Platz eins", sagte Finanzsenator Andreas Dressel. Die Stadt sei durch einen Staatsvertrag mit dem Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels ohnehin dazu verpflichtet, ein Museum zu schaffen, das die in Hamburg befindlichen naturkundlichen Sammlungen und Forschungseinrichtungen zusammenführt. Wenn sie das Naturkundemuseum von Grund auf selbst neu bauen lässt, so rechnete Dressel vor, müsste sie mindestens 824 Millionen Euro in die Hand nehmen. Wenn die Stadt aber das Museum im Elbtower unterbringt und dafür als Teileigentümer in das Projekt einsteigt, koste der Bau lediglich 595 Millionen Euro. "Wir sind im Umgang mit öffentlichen Geldern zur Sparsamkeit verpflichtet und müssen immer die wirtschaftlichste Lösung nehmen", sagte der Finanzsenator. "Da kann ich dann wegen der öffentlichen Diskussionen nicht sagen: Ich wähle die teurere Variante." Worauf Dressel hier anspielt: Seit dem Elbtower-Baustopp im Oktober 2023 und der darauffolgenden Insolvenz des Investors Signa hatte Bürgermeister Peter Tschentscher immer wieder betont, dass die Stadt den Elbtower nicht auf eigene Kosten zu Ende bauen werde. Warum wird sie nun doch Bauherrin? Bei der Vorstellung der neuen Pläne erklärt Tschentscher: "Ich habe davon gesprochen, dass wir keine offenen Rechnungen ausgleichen." Man habe alle Varianten sorgfältig geprüft; selbst Teileigentümer des Elbtowers zu werden, sei eine "Win-win-Situation". "Da können wir nicht sagen: Nee, wir machen das nicht aus irgendeinem Groll." Wie es jetzt weitergeht und wie der Elbtower später mal aussehen soll, lesen Sie in der ungekürzten Fassung auf zeit.de. "Benkos Geschäfte, so sieht es derzeit aus, ähneln einem Schneeballsystem, das schon andere Gauner praktiziert haben." In ihrem Text "Der große Verführer" zeichnen die ZEIT-Redakteure Ingo Malcher und Stefan Willeke ausführlich nach, wie René Benko mit Charme, Machtgehabe und dem Versprechen hoher Renditen ein Netzwerk wohlhabender Männer täuschte, ein Immobilienimperium schuf – und nun wegen Betrugsverdachts vor Gericht steht. Den ganzen Artikel lesen Sie hier (Z+). Im Rahmen der Gesprächsreihe "Zukunft der Demokratie" lädt der Schriftsteller Lukas Bärfuss Stimmen aus Zivilgesellschaft, Kultur und Wissenschaft ins Schauspielhaus ein, um über die Herausforderungen und Möglichkeiten unserer Zeit zu diskutieren. Am Freitag spricht er mit der russischen Kulturjournalistin Irina Rastorgueva über Demokratie und Propaganda. In ihrem mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2025 ausgezeichneten Buch "Pop-Up-Propaganda" analysiert Rastorgueva die Propagandamaschine Putins und legt offen, wie ein manipulatives System aus Angst, Aberglaube und Desinformation den Alltag der Menschen prägt. Ein Abend über das zerstörerische Potenzial von Propaganda – und darüber, wie Widerstand beginnt: mit klarem Denken und mutigem Sprechen. "Zukunft der Demokratie #8", Gespräche mit Lukas Bärfuss; 17.10., 19:30 Uhr; Deutsches Schauspielhaus, Kirchenalle 39 Kürzlich habe ich mir einen neuen Hosengürtel gekauft. Beim Tragen bemerkte ich, dass ein Loch fehlte, damit er in der Taille fest sitzt. Also ging ich zum Schuster. Der Schuster: "Ach, da brauchst du nur da vorn zum Bäcker zu gehen, daneben ist der Schlachter, und dann kommt die Eisdiele. Wenn du die alle durchhast, sitzt die Hose auch ohne Gürtel!" Gehört von von Michael Pasdzior Das war die Elbvertiefung, der tägliche Hamburg-Newsletter der ZEIT. Wenn Sie möchten, dass er täglich um 6 Uhr in Ihrem Postfach landet, können Sie ihn hier kostenlos abonnieren.