Meinung: Die Lage am Morgen – Rückkehr in Ruinen

Datum15.10.2025 05:40

Quellewww.spiegel.de

TLDRAm Mittwochmorgen werden die Themen Wiederaufbau in Gaza, Debatten über die Wehrpflicht in Deutschland und Proteste der Gen Z in Madagaskar behandelt. Der Krieg in Gaza endet vorerst, jedoch finden Rückkehrende oft nur Ruinen vor. In Deutschland herrscht Uneinigkeit über die Wehrpflicht; während die Union für Zwang plädiert, will die SPD weniger. In Madagaskar haben Jugendproteste zur Absetzung von Präsident Rajoelina geführt, der das Land offenbar verlassen hat. Die Entwicklungen könnten andere soziale Bewegungen in Afrika inspirieren.

InhaltIn Gaza beginnt der mühsame Wiederaufbau. Die Koalition streitet über die Wehrpflicht. Und: In Madagaskar hat die Gen Z den Präsidenten verjagt. Das ist die Lage am Mittwochmorgen. Heute geht es um die Aussicht auf einen Neubeginn in Nahost. Die Widersprüche in der deutschen Wehrdebatte. Und erfolgreiche Jugendproteste in Madagaskar. Ihre Nachrichten klangen zuletzt immer verzweifelter. Fast zwei Jahre lang musste die Journalistin Ghada Alkurd mitansehen, wie Freunde und Kollegen in Gaza durch Bombardements des israelischen Militärs starben. Sie selbst berichtete fast unentwegt von dem Krieg, unter anderem für den SPIEGEL. In den vergangenen Wochen machte ihr vor allem der Hunger zu schaffen. Israels Regierung ließ kaum noch Hilfsgüter in den Küstenstreifen durch. Sie sei so matt und entkräftet, dass sie nicht richtig denken könne, sagte uns Ghada im Juli. Es ist deshalb zuallererst eine Erlösung für die Menschen in Israel wie in Gaza. Dass der Krieg nun vorerst endet. Dass die Geiseln der Hamas zurück in Israel sind. Dass Nahrung, Wasser, Medikamente nach Gaza gelangen. Doch gerade im Gazastreifen kommt zur Erleichterung auch Entsetzen hinzu, wie mir Ghada am Telefon sagte. Bewohner, die vor den Luftangriffen in andere Teile des Küstenstreifens geflohen sind und jetzt in ihre Häuser zurückkehren wollen, finden oft nur noch Ruinen vor. US-Präsident Donald Trump hat die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas mit erzwungen. Doch von nun an wird die Umsetzung seines sogenannten 20-Punkte-Plans nur noch komplizierter. Ob und wie die Hamas entwaffnet wird, ob sich Israel gänzlich aus Gaza zurückzieht, wer den Streifen künftig regiert, all das ist nach wie vor mehr oder weniger offen (mehr dazu hier). Im besten Fall bietet der Deal die Chance für einen Neuanfang in der Region, im schlimmsten Fall bricht der Krieg bald von Neuem los. Ghada hofft zumindest auf ein wenig Ruhe. Sie will aus Zentralgaza in ihre Wohnung in Gaza-Stadt zurückkehren. Bis Februar 2022 war es in Deutschland eine eher akademisch geführte Diskussion: die Frage, ob Bürgerinnen und Bürger fit gemacht werden sollten für den Dienst an der Waffe. Dann überfiel Wladimir Putins Russland die Ukraine – und seither ist Krieg in Europa wieder eine grausame Realität. In Deutschland hat sich durch Putins Aggression auch der Blick auf die eigenen Streitkräfte geändert. Landesverteidigung erscheint plötzlich wie eine unmittelbare Notwendigkeit. Unter anderem deshalb will die Bundesregierung den Wehrdienst wiederbeleben, den der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg 2011 ausgesetzt hatte. Die Koalition ist sich jedoch nach wie vor uneins, wie genau. Die Union will, grob zusammengefasst, mehr Zwang, die SPD will weniger. Ein Kompromiss könnte sein, ein Losverfahren bei der Rekrutierung einzuführen. Melden sich nicht genügend Freiwillige, könnte künftig der Zufall darüber entscheiden, wer eingezogen wird. Darauf hatten sich Verhandler der Regierungsparteien bereits geeinigt, ehe Verteidigungsminister Boris Pistorius Bedenken anmeldete, wie meine Kollegen aus dem SPIEGEL-Hauptstadtbüro berichten. Nun muss wohl weiter beraten werden (lesen Sie hier mehr  über die Probleme von Pistorius). Der Streit ist Ausdruck einer grundsätzlichen Schieflage in der Wehrdebatte: In Deutschland hat sich zwar weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass es gegenüber Putins Russland militärische Abschreckung braucht. Welche Einschnitte dafür notwendig sind, darüber herrscht in der Politik wie in der Gesellschaft allerdings nach wie vor kein Konsens. Als Andry Rajoelina 2009 mit 35 Jahren in Madagaskar an die Macht kam, war er der damals jüngste Präsident der Welt. Er war zuvor DJ, Besitzer eines TV-Senders und einer Radiostation, Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo. Auf einem Kontinent, der mitunter von Greisen wie dem Kameruner Paul Biya, 92, regiert wird, war er eine Sensation. Rajoelina wollte mit Korruption und Misswirtschaft brechen. Doch er hat seine Versprechen nicht eingelöst, wie unsere Nairobi-Korrespondentin Muriel Kalisch analysiert. Madagaskar ist eines der ärmsten Länder der Welt, mehr als 75 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Rajoelina soll sich hingegen bereichert haben. Es ist eine Geschichte, wie man sie aus vielen afrikanischen Ländern kennt, wo Hoffnungsträger sich allzu oft als Kleptokraten entpuppten. Was Madagaskar besonders macht, ist, dass gerade die Jugend nicht bereit ist, diese Zustände zu akzeptieren. Über Wochen gingen überwiegend Angehörige der Gen Z, also der Generation der Unter-30-Jährigen, gegen Rajoelina auf die Straße. Nun hat sich eine Eliteeinheit des Militärs auf ihre Seite geschlagen. Es ist offen, wie es weitergeht. Rajoelina hat das Land offenbar verlassen, klammert sich aber weiter an sein Amt. Die Entwicklungen in Madagaskar, glaubt Muriel, könnten auch anderen Jugendbewegungen Auftrieb verleihen, etwa in Kenia oder Marokko, wo es zuletzt ebenfalls zu Protesten kam. Noch mehr Rätsel wie Viererkette, Wordle und Paarsuche finden Sie bei SPIEGEL Games. …ist der französisch-algerische Schriftsteller Boualem Sansal, der an diesem Mittwoch 81 Jahre alt wird. Für seine Arbeit wurde Sansal unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Das algerische Regime sieht in ihm hingegen einen Verräter, weil er in einem Interview die offizielle algerische Geschichtsschreibung infrage gestellt hat. Seit fast einem Jahr befindet sich Sansal deshalb in Algerien in Haft. Das Regime hat ihn dadurch jedoch nur noch wirkmächtiger gemacht. Heute erinnert der Prix-Goncourt-Preisträger Kamel Daoud auf der Frankfurter Buchmesse an sein Schicksal. ETFs gelten als einfach und sicher, doch viele Privatanleger unterschätzen die Risiken. Verbraucherschützer Niels Nauhauser sagt, wie Sie Fehler vermeiden und warum Sie sich auf einen Absturz vorbereiten sollten . Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag. Ihr Maximilian Popp, stellvertretender Ressortleiter Ausland