Elbvertiefung: Der tägliche Newsletter aus Hamburg: Süleyman Taşköprü: Ein Name, den Hamburg nie vergessen darf

Datum14.10.2025 06:00

Quellewww.zeit.de

TLDRSüleyman Taşköprü, ein Opfer des NSU, wird mit einer Ausstellung im Altonaer Museum geehrt, die Erinnerungsfotografien von Regina Schmeken zeigt. Die Ausstellung thematisiert die Bedeutung des Gedenkens und der Aufarbeitung der rechtsextremen Gewalt in Hamburg. Das Altonaer Museum möchte die Geschichten der Opfer hervorheben und anregen, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Außerdem bleibt Hamburgs Klimaplan unverändert, während die Bürger in einem Volksentscheid für eine stärkere Klimaschutzinitiative stimmten.

InhaltDie Elbvertiefung am Dienstag – mit einem genauen Blick auf die Ergebnisse des Zukunftsentscheids und der Frage, warum bei Erkältungen auch die Psyche so leidet Liebe Leserin, lieber Leser, Süleyman Taşköprü war ein großer Fan von Sylvester Stallone. Es gibt ein altes Foto aus den Neunzigern, da sieht man ihn vor dem Stern seines Idols auf dem "Walk of Fame" in Los Angeles hocken. Auf dem Bild trägt Taşköprü lange Locken, er lächelt, sieht selbst ein bisschen aus wie Stallone. Seiner Schwester sagte er einmal im Scherz, nach seinem Tod hätte er auch gern so einen Stern wie auf dem Hollywood-Boulevard. Seine Familie hat ihm diesen Wunsch erfüllt. In der Schützenstraße wurde vor ein paar Jahren ein Stein in den Asphalt eingelassen, mit einem Bild von Taşköprü und den Daten seines Todestages. Am 27. Juni 2001 wurde Taşköprü dort von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in seinem Lebensmittelladen erschossen. Er wurde 31 Jahre alt und hinterließ eine dreijährige Tochter. Ab morgen widmet das Altonaer Museum Süleyman Taşköprü und den anderen Opfern des NSU eine eigene Ausstellung. Gezeigt werden Fotografien der Künstlerin Regina Schmeken, die Jahre nach den Morden die Tatorte aufgesucht hat. Auf ihren Schwarz-Weiß-Bildern sind ganz alltägliche Orte zu sehen – ein Ladeneingang, ein Gehweg, ein Stück Straßenrand. "Die Motive wirken banal, und doch weiß man, was dort geschehen ist. Genau das macht sie so eindringlich", sagte mir Museumsdirektorin Anja Dauschek. "Wenn ich davorstehe, geht bei mir sofort das Kopfkino an: Ich denke daran, wie lang es gedauert hat, bis die Morde endlich als rechtsextremer Terror benannt wurden." Nach dem Blick auf die Tatorte können die Museumsgäste mehr über die Opfer erfahren. In einem "Erinnerungsraum" werden diese einzeln vorgestellt – mit Porträtzeichnungen und Zitaten von Angehörigen. "Wir möchten an die Menschen und ihre Geschichten erinnern – jenseits der Tat, jenseits der Schlagzeilen", sagt Dauschek. Die Familie Taşköprü hat dem Museum dafür persönliche Fotos zur Verfügung gestellt, darunter auch das Bild mit dem Stern. Dass diese Erinnerung in Hamburg nun sichtbarer wird, ist wichtig – zumal die Stadt im Umgang mit dem Mord an Süleyman Taşköprü gravierende Fehler gemacht hat. Über Jahre wurde in die falsche Richtung ermittelt, lange stand seine Familie unter Verdacht. Erst mit der Selbstenttarnung des NSU kam die Wahrheit ans Licht. 2018 entschuldigte sich die Bürgerschaft offiziell bei den Angehörigen, ein Untersuchungsausschuss wurde – anders als in anderen Bundesländern, in denen der NSU mordete – nie eingesetzt. Immerhin läuft inzwischen eine wissenschaftliche Aufarbeitung. In der Ausstellung geht es auch darum, wo und wie man sich heute in Hamburg gegen Rechtsextremismus engagieren kann. Sie bleibt also nicht beim Gedenken stehen, sondern ruft dazu auf, Haltung zu zeigen – oder, wie Dauschek sagt: "Erinnerung darf kein abgeschlossenes Kapitel sein – wir sollten sie als Aufforderung zum Handeln verstehen." Kommen Sie gut durch den Tag. Ihre Annika Lasarzik Wollen Sie uns Ihre Meinung sagen, wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben Sie uns eine E-Mail an hamburg@zeit.de. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat nach dem Volksentscheid betont, dass es vorerst keine kurzfristigen Änderungen am Klimaplan geben werde. Das bisherige Ziel, die CO₂-Emissionen bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu senken, bleibe bestehen. Neu sei, dass die Stadt künftig jährlich überprüft, ob sie beim Senken der Emissionen auf Kurs liegt – und bei Abweichungen nachsteuern muss. Hamburgs Zweite Bürgermeisterin, Umweltsenatorin Katharina Fegebank (Grüne), betonte, Klimaschutz sei eine gemeinsame Aufgabe, die nur mit bundesweiter und europäischer Unterstützung gelingen könne. Nach dem tödlichen Fahrradunfall der Schauspielerin Wanda Perdelwitz in Hamburg ermittelt die Polizei nun gegen den 28-jährigen Beifahrer des Unfallwagens wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Der Mann soll am 28. September im Stadtteil Rotherbaum die Tür eines Transporters geöffnet haben, ohne auf den Radverkehr zu achten – Perdelwitz prallte dagegen und starb später im Krankenhaus. Am Sonntag erinnerten rund 800 Menschen mit einer Mahnwache und einem weiß geschmückten Geisterrad an die beliebte "Großstadtrevier"-Darstellerin. Im Prozess um die mutmaßliche Entführung der Kinder von Unternehmerin Christina Block hat Jens Meier, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Port Authority (HPA), als Zeuge ausgesagt. Er wies Medienberichte zurück, wonach er die israelische Sicherheitsfirma empfohlen habe, die die Kinder in der Silvesternacht aus Dänemark zurückgeholt haben soll – das sei "kompletter Quatsch". Den Namen der Firma habe er zu diesem Zeitpunkt gar nicht gekannt, sagte Meier. Er habe dem Familienanwalt der Blocks lediglich zwei Kontakte zum Thema Cybersicherheit vermittelt, es sei "nie um die Rückholung von Personen" gegangen. • Heute Abend verleiht Umweltsenatorin Katharina Fegebank im ArchitekturSalon den Hamburger Preis für Grüne Bauten 2025, der vorbildliche Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünungen auszeichnet – anschließend wird dort eine Ausstellung mit weiteren Beispielen nachhaltiger Gebäudebegrünung eröffnet • Die Schulbehörde hat ein Sonderheft zur Antisemitismus-Prävention in Schulen veröffentlicht, das Lehrkräften und Elternräten Hilfestellung im Umgang mit antisemitischen Vorfällen geben soll • In der Alten Schule in der Seilerstraße auf St. Pauli entstehen neue Arbeitsräume für Hamburgs Kreativszene; die Hamburg Kreativ Gesellschaft hat das denkmalgeschützte Gebäude von der städtischen Sprinkenhof GmbH angemietet und richtet dort über 2.000 Quadratmeter Fläche für künstlerische und kreative Nutzungen ein Seht her, wir verfolgen doch schon große Ziele! – so ging der Hamburger Senat in die Abstimmung um den Klimaschutz. Das Ergebnis zeigt nun: Ihm wurde nicht geglaubt. Lesen Sie hier einen Auszug aus der Analyse von Frank Drieschner. Eine Karte verrät über die Zukunft der Hamburger Klimapolitik womöglich mehr als das Ergebnis des sogenannten Zukunftsentscheids. Die Volksabstimmung hat am Sonntag eine Klimaschutzinitiative mit knapper Mehrheit gewonnen (Z+) und damit festgelegt, dass der Stadtstaat Hamburg versuchen muss, den Verbrauch von Kohle, Erdöl und Erdgas bis zum Jahr 2040 nahezu vollständig zu beenden. Die Karte zeigt die Details dieses Erfolgs: die Abstimmungsergebnisse in den 721 Stimmbezirken der Stadt. Dabei ergibt sich ein verblüffend klares Bild. Im Streit um den Klimaschutz haben sich die Bewohner der dicht besiedelten Innenstadtbezirke gegen den Stadtrand durchgesetzt. Die Innenstadt – mit Ausnahme des besonders wohlhabenden Stadtteils Harvestehude – ging an die Anhänger des Zukunftsentscheids. Der Stadtrand mit seinen weitläufigen Ein- und Zweifamilienhausgebieten war das Revier seiner Widersacher. Lediglich in den urban geprägten Gebieten von Eidelstedt und Bergedorf setzten sich die Anhänger des Klimaschutzentscheids auch nahe der Stadtgrenzen durch. Insgesamt spricht das Ergebnis des Volksentscheids von einem erheblichen Misstrauen weiter Teile der Stadtgesellschaft gegenüber ihrer politischen und ökonomischen Elite. Die SPD als größere Regierungspartei hatte für eine Fortsetzung der gegenwärtigen Hamburger Klimapolitik geworben. Die konservative Opposition stellte sich ebenso gegen den Zukunftsentscheid wie Wirtschaftsverbände, Vermieter und einige Gewerkschaften. Doch die Erzählung von der anspruchsvollen und zugleich realistischen Hamburger Klimapolitik verfing offenbar nicht. Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die an der Abstimmung teilnahmen, entschied sich für eine deutliche Verschärfung. Dabei entsprechen die unterschiedlichen Abstimmungsergebnisse in den unterschiedlich geprägten Wohngegenden nicht nur verschiedenen Lebensstilen, sondern auch einem unterschiedlichen Maß an Betroffenheit durch die Klimapolitik der Zukunft. Wer am Stadtrand in den eigenen vier Wänden wohnt und seine täglichen Wege mit dem Auto erledigt, muss sich nun mehr als zuvor über Wärmepumpen, Wärmedämmung und Elektromobilität Gedanken machen. Für Innenstadtbewohner mit Mietwohnung und ohne eigenes Auto ändern sich auch auf lange Sicht womöglich nur die Anteile von Grundmiete und Heizkostenabrechnung an ihren Wohnkosten. So gesehen, lässt sich das Ergebnis der Abstimmung über den Zukunftsentscheid auch als politischer Auftrag deuten: Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger erwartet von Senat und Bürgerschaft, dass sie jenen Teil der Stadtgesellschaft zu einem klimafreundlicheren Lebensstil drängt, dessen private Konsum- und Investitionsentscheidungen für einen Großteil des Hamburger Treibhausgasausstoßes verantwortlich sind. Ein Beispiel erfolgreicher Klimaschutzpolitik zeigt, wie das aussehen könnte. Welches Beispiel hier gemeint ist und was sich anhand der Abstimmungsergebnisse in den einzelnen Hamburger Bezirken noch erkennen lässt, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de. "Dass wir krank so leiden, ist ein Schutzmechanismus des Immunsystems." Julie Lasselin, Professorin am Karolinska-Institut in Stockholm und Psychoneuroimmunologin Fühlt sich an wie eine Depression, ist aber keine: ZEIT-Redakteurin Anaïs Kaluza erklärt, warum wir uns während einer Erkältung so niedergeschlagen fühlen – und warum genau dieses Elend Teil des Heilungsprozesses ist. Den ganzen Artikel lesen Sie hier. Die jährliche Konzert- und Vortragsreihe "Concerts for Future" verbindet Musik aus unterschiedlichen Genres mit Vorträgen renommierter Forscher und Autorinnen rund ums Klima. Am Donnerstag starten die "Concerts for Future" in die dritte Runde: In der St.-Marien-Kirche in Ottensen findet das Auftaktkonzert der von Parents for Future und Churches for Future Hamburg organisierten Reihe statt. Bestsellerautorin und Verkehrswende-Aktivistin Katja Diehl wird zum Thema Mobilität sprechen, für den musikalischen Rahmen sorgt das Vokalensemle Vox Mandala mit bekannten und eigenen Kompositionen von Pop bis Jazz. Auftaktkonzert der "Concerts for Future" mit einem Vortrag von Katja Diehl und Musik von Vox Mandala, 16.10., 19 Uhr; St.-Marien-Kirche Ottensen, Bei der Reitbahn 4. Die Vortragenden und Künstlerinnen verzichten auf ihre Gage, auch der Eintritt ist kostenlos, Spenden zugunsten von Fridays for Future sind erwünscht. In der Betriebskantine. Ein Mitarbeiter steht an der Essensausgabe und grübelt, ob er Option 1 oder 2 wählen soll. Er fragt die Frau hinter dem Tresen: "Was würden Sie nehmen?" Sie antwortet: "Ich würde meine Beine in die Hand nehmen und woanders essen." Gehört von Oskar Piegsa Das war die Elbvertiefung, der tägliche Hamburg-Newsletter der ZEIT. Wenn Sie möchten, dass er täglich um 6 Uhr in Ihrem Postfach landet, können Sie ihn hier kostenlos abonnieren.