Regierungskrise in Frankreich: Sébastien Lecornu will Rentenreform aussetzen

Datum14.10.2025 15:47

Quellewww.zeit.de

TLDRFrankreichs Premierminister Sébastien Lecornu hat im Parlament seinen Sparhaushaltsentwurf vorgestellt und eine Aussetzung der umstrittenen Rentenreform bis 2028 vorgeschlagen, um die Stabilität des Staates zu sichern. Dies geschieht in Reaktion auf Forderungen von Sozialisten und Gewerkschaften. Lecornu plant Einsparungen von rund 30 Milliarden Euro, um das Haushaltsdefizit zu senken. Trotz bereits eingereichter Misstrauensanträge bleibt die Regierung unter Druck, während Macron auf Stabilität und Kompromisse pocht.

InhaltFrankreichs neuer Premier hat im Parlament für seinen Sparhaushalt geworben. Zudem ging er auf die zentrale Forderung der Sozialisten ein: das Aussetzen der Rentenreform. Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu hat seinen Entwurf für den französischen Haushalt verteidigt und eine Aussetzung der umstrittenen Rentenreform vorgeschlagen. Er habe die Rolle des Premierministers angenommen, weil Frankreich ein Budget benötige – trotz aller Herausforderungen, sagte er im französischen Parlament. Das Parlament müsse sich zusammentun und die Stabilität des französischen Staates sicherstellen, forderte er. Dafür sei die Verabschiedung eines Haushalts zentral. Zudem kündigte er eine Aussetzung der Rentenreform an. Er werde dem Parlament im Herbst vorschlagen, die Rentenreform von 2023 bis zur Präsidentschaftswahl auszusetzen, sagte er: "Bis Januar 2028 wird es keine Anhebung des Rentenalters geben." Das hatten zuvor vor allem die Gewerkschaften und die Sozialisten gefordert.  Die Spitze der Sozialisten hatte angekündigt, nur eine Zusammenarbeit mit der neuen Regierung in Betracht zu ziehen, wenn die Rentenreform nicht wie geplant umgesetzt wird. Lecornu verwies darauf, dass das Aussetzen der Rentenreform 2027 etwa 400 Millionen Euro kosten werde. Dies müsse durch Einsparungen ausgeglichen werden. Beschließen muss die Aussetzung das Parlament. Zuvor waren bereits die wichtigsten Punkte des Haushaltsentwurfs bekannt geworden. Wie französische Medien übereinstimmend berichteten, will Lecornu das Haushaltsdefizit von den erwarteten 5,4 Prozent 2025 auf unter 5 Prozent im kommenden Jahr senken. Deshalb sehe der Haushaltsentwurf Einsparungen von rund 30 Milliarden Euro vor. Der Entwurf des vorherigen Premierministers François Bayrou hatte Einsparungen von knapp 44 Milliarden Euro vorgesehen. Bayrou war wegen des Entwurfs und der darauffolgenden verlorenen Vertrauensfrage abgetreten. Auch Lecornus Amtszeit hat schwierig begonnen. Nach Bayrou hatte der französische Präsident Emmanuel Macron ihn zum Premierminister ernannt. Bereits kurz nach der Vorstellung eines möglichen Kabinetts war Lecornu jedoch zurückgetreten. Es hatte Kritik an der Verteilung der Regierungsposten gegeben. Am Freitag hatte Macron ihn dann erneut zum Premierminister ernannt. Nun soll Lecornu noch einmal versuchen, einen Haushalt durch das stark gespaltene Parlament zu bringen. In seiner Rede bekräftigte er, dass er für die Verabschiedung des Haushalts auf den umstrittenen Artikel 49 Absatz 3 der Verfassung verzichte, welcher der Regierung die Durchsetzung ohne eine parlamentarische Debatte ermöglichen würde. Damit habe das Parlament das letzte Wort zum Haushalt wie auch zu anderen Gesetzen und trage schließlich die Verantwortung. Zudem verteidigte er seine Regierung. "Ich habe dem Präsidenten der Republik eine Regierung vorgeschlagen, die innerhalb von drei Monaten einen seriösen und zuverlässigen Haushalt für Frankreich vorlegen wird, der für die Franzosen nützlich und gut ist", sagte er. "Diese Regierung steht für Erneuerung, da sie einige der kompetentesten Experten unseres Landes umfasst." Seine Regierung schlage kein langfristiges Programm vor, sagte er. Dies sei eine Regierung mit einem bestimmten Auftrag, nämlich der Verabschiedung eines Haushalts. Er werde jedoch ein Gesetz vorschlagen, das den Kommunen und Départements mehr Macht einräume. Zudem müsse die Regierung sich um ein neues Abkommen mit Neukaledonien kümmern. Es sind jedoch bereits mehrere Misstrauensanträge gegen ihn eingereicht oder für die kommenden Tage angekündigt worden. Die beiden bereits eingereichten Anträge der Rechts- und der Linkspopulisten sollen am Donnerstag diskutiert werden. Die Sozialisten halten sich bisher zurück und haben angekündigt, nach Lecornus Rede zu entscheiden. Sollte einer der Misstrauensanträge durchgehen und die Regierung scheitern, plant Präsident Macron offenbar, eine Neuwahl auszurufen. Das hatte er bislang ausgeschlossen. Die bereits eingereichten Misstrauensanträge der Opposition hätten die Auflösung der Nationalversammlung zum Ziel, und "so sollten sie auch verstanden werden", sagte Macron laut Regierungssprecherin Maud Bregeon bei der ersten Kabinettssitzung der neuen Regierung vor der Rede Lecornus. Macron habe dazu aufgerufen, die Stabilität zu wahren und Kompromisse zu suchen.