Ukraine: Selenskyj entzieht Bürgermeister von Odessa die Staatsbürgerschaft

Datum14.10.2025 17:51

Quellewww.spiegel.de

TLDRDer ukrainische Präsident Selenskyj hat Bürgermeister Hennadij Truchanow von Odessa die Staatsbürgerschaft entzogen, da er angeblich einen russischen Pass besitzt. Der Entzug folgt auf eine Petition und Berichte des Geheimdienstes über die doppelte Staatsbürgerschaft. Truchanow bestreitet die Vorwürfe und plant rechtliche Schritte. Der Verlust der Staatsangehörigkeit führt de facto zu seiner Amtsenthebung. Der Hintergrund ist auch das geltende Kriegsrecht, das Kommunalwahlen aussetzt und eine Militärverwaltung für Odessa einführt. Selenskyj steht wegen seiner autoritären Maßnahmen in der Kritik.

InhaltErneut hat der ukrainische Präsident Selenskyj mehrere Ukrainer ausgebürgert. Darunter ist auch der Bürgermeister der wichtigen Hafenstadt Odessa. Dieser soll einen russischen Pass besitzen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Bürgermeister der Hafenstadt Odessa, Hennadij Truchanow, ausgebürgert. Damit reagierte Selenskyj offenbar auf eine am Montag veröffentlichte Petition  , die nahelegt, dass Truchanow die russische Staatsbürgerschaft besitzen soll. Bezüglich mehrerer vorgenommener Ausbürgerungen schrieb Selenskyj nach einem Treffen mit dem ukrainischen Geheimdienstchef bei Telegram: "Ebenso wurde das Vorhandensein einer russischen Staatsbürgerschaft bei mehreren Personen bestätigt, entsprechende Entscheidungen zu ihnen wurden vorbereitet. Das Dekret wurde unterzeichnet". Namen nannte er nicht. Der ukrainische Geheimdienst SBU bestätigte wenig später, dass der Entzug der Staatsbürgerschaft den Bürgermeister von Odessa betreffe. Dazu wurde die Kopie des angeblich ihm gehörenden russischen Reisepasses veröffentlicht, der demnach bis Dezember gültig ist. Es ist nicht von unabhängiger Seite überprüfbar, ob es sich um das Bild eines echten Dokuments handelt. A post shared by Служба безпеки України (@securityservice_ukraine) Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung. Truchanow selbst wies den Vorwurf bereits mehrfach zurück. "Ich habe nie einen russischen Pass besessen", sagte er dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen nach Bekanntwerden des Entzugs der ukrainischen Staatsbürgerschaft. Truchanow will dagegen klagen und verwies dabei auf eine geheimdienstliche Überprüfung seiner Person im Jahr 2022. Aufgrund des geltenden Kriegsrechts fallen die eigentlich Ende Oktober fälligen Kommunalwahlen aus. Die Vollmachten aller kommunalen Vertreter wurden durch einen Parlamentsbeschluss bis Ende des Krieges bestätigt. Mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit ist das gewählte Stadtoberhaupt praktisch seines Amtes enthoben. Selenskyj leitete offenbar parallel dazu die Schaffung einer Militärverwaltung für die strategisch wichtige Hafenstadt ein. Truchanow, der Russland immer wieder wegen der vielen Angriffe auf Odessa verurteilte, ist seit 2014 Bürgermeister der Millionenstadt. Der Verdacht einer russischen Staatsbürgerschaft Truchanows kommt nicht zum ersten Mal auf. Konkretisiert hatte sich der Verdacht spätestens mit der Enthüllung der "Panama Papers". Darin sei offenbar eine Kopie seines russischen Reisepasses aufgetaucht. Zudem offenbarten die Recherchen seine Beteiligung an rund 20 Offshore-Firmen. Selenskyj werden bereits seit Längerem unter anderem vom Bürgermeister der Hauptstadt Kyjiw, Vitali Klitschko, autoritäre Tendenzen vorgeworfen. Zwischen Klitschko und dem von Selenskyj eingesetzten Militärverwalter Tymur Tkatschenko ist es in den vergangenen Tagen zu öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen gekommen. Der bereits zu sowjetischen Zeiten gegen Dissidenten praktizierte Entzug der Staatsbürgerschaft ist unter Selenskyj und seinem Vorgänger Petro Poroschenko wieder üblich geworden. Im Juli hatte Selenskyj den Vorsteher der ehemals mit Moskau verbundenen ukrainisch-orthodoxen Kirche, Onufrij, ausgebürgert.