Vorfälle in Zweibrücken: Worum es bei den Vorwürfen gegen die Fallschirmjägereinheit geht

Datum29.12.2025 19:16

Quellewww.spiegel.de

TLDRIn Zweibrücken ermittelt die Bundeswehr gegen 55 Soldaten des Fallschirmjägerregiments 26 wegen schwerer Vorwürfe, darunter sexualisiertes Fehlverhalten, Rechtsextremismus und Drogenkonsum. Die Untersuchungen wurden durch Hinweise von Soldatinnen ausgelöst. In 19 Fällen wurde bereits die Entlassung aus dem Dienst eingeleitet, während weitere Disziplinarmaßnahmen folgen könnten. Die Vorfälle gefährden das Ansehen der Bundeswehr und werden mit einem Erinnerungsaktionsplan bekämpft, der auf Wertevermittlung und Führungskultur abzielt.

InhaltSexualisiertes Fehlverhalten, Rechtsextremismus, Drogenkonsum: Bundeswehr und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen 55 Soldaten des Fallschirmjägerregiments 26. Für die Bundeswehr ist das ein massives Problem. Die Fallschirmjäger der Bundeswehr gelten als Elitetruppe, die Soldaten sind bei Evakuierungen oder Auslandseinsätzen fast immer gefragt. Doch das Fallschirmjägerregiment 26 in Zweibrücken in Rheinlandpfalz wird von schweren Vorwürfen erschüttert: Es geht um Rechtsextremismus, sexualisiertes Fehlverhalten und Drogenkonsum. Staatsanwaltschaft und Bundeswehr ermitteln gegen Dutzende Soldaten. Für die Bundeswehr, die um freiwillige Wehrdienstleistende und Vertrauen in der Bevölkerung wirbt, ist der Fall Zweibrücken ein schweres Problem. Auslöser für die Ermittlungen waren laut einer Sprecherin des Heeres mehrere Eingaben von Soldatinnen des Fallschirmjägerregiments 26. Sie meldeten sich im Juni 2025 beim Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages. Daraufhin seien umfangreiche Untersuchungen und Ermittlungen durch das Kommando Heer und die nachgeordnete Division Schnelle Kräfte eingeleitet worden. Durch die Ermittlungen und Vernehmungen "kam es zu weiteren Meldungen aus der Truppe", sagte die Sprecherin. Es ging demnach um "Vorfälle im Zusammenhang mit sexualisiertem Fehlverhalten, extremistischen Verhaltensweisen und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz". In den vergangenen Monaten habe es, so der Stand Mitte Dezember, umfangreiche Ermittlungen gegen insgesamt 55 Beschuldigte gegeben. Bei 19 Beschuldigten wurde demnach die Entlassung aus dem Dienst eingeleitet. In drei Fällen sei diese bereits vollzogen. Insgesamt 16 Fälle wurden nach Angaben des Heeres an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Ebenfalls in 16 Fällen wurden laut der Sprecherin Disziplinarmaßnahmen ausgesprochen, und in 20 Fällen habe die Wehrdisziplinaranwaltschaft Vorermittlungen aufgenommen. Die Ermittlungen dauerten jedoch weiter an. Damit hat sich der Skandal deutlich ausgeweitet, seit der "Pfälzische Merkur  " erstmals im Oktober  über mögliche Verfehlungen in der Elite-Einheit berichtet hatte. Die Zeitung hatte damals gemeldet, Angehörige des Fallschirmjägerregiments hätten bei einer Feier den Hitlergruß gezeigt. Sie sollen dabei Bekleidung getragen haben, die Nazi-Uniformen zumindest ähnlich sahen. Auch sei es zu Drogenmissbrauch gekommen. Ende November bestätigte die Staatsanwaltschaft Zweibrücken dem Blatt, sie bearbeite 19 Strafanzeigen gegen Mannschaftssoldaten und Unteroffiziere des in Zweibrücken ansässigen Fallschirmjägerregiments 26. Dabei gehe es um mögliche Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und Cannabiskonsumgesetz. In anderen Fällen seien Vorwürfe der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Gegenstand der Anzeigen. Ein Verfahren wegen möglicher sexueller Übergriffe lag damals noch nicht vor. Die im Sommer durch die Meldung von Soldatinnen bekannt gewordenen Vorwürfe seien in den vergangenen Wochen umfassend aufgeklärt worden, sagte der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Christian Freuding, dem SPIEGEL. "Dabei wurden weitere, zum Teil schwerwiegende Dienstvergehen bis hin zu Straftaten aufgedeckt." Die Vorfälle widersprächen dem Werteverständnis und der Führungskultur des Heeres diametral. Freuding kündigt zudem Konsequenzen an. Man habe "Maßnahmen eingeleitet, die wir jetzt in einem Aktionsplan Luftlandetruppe bündeln werden". Er habe zum Ziel, "das Werteverständnis zu stärken und eine Führungskultur zu etablieren, die von Vertrauen, Verantwortung und Vorbild geprägt wird. Das ist für mich Grundvoraussetzung für einen hohen Gefechtswert der Luftlandetruppe". Die Vorfälle in Zweibrücken erinnern zunehmend an die Skandale beim Kommando Spezialkräfte Anfang des Jahrzehnts, bei denen es auch rechtsextreme Umtriebe in erheblichem Maße ging. Eine Kompanie der Einheit wurde schließlich auf Betreiben der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) aufgelöst. Zu den Vorfällen in Zweibrücken hat sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bislang persönlich nicht geäußert. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, die Vorgänge – sofern bestätigt – hätten das Potenzial, das Ansehen der Bundeswehr als Ganzes zu beschädigen. Es sei vordringlich, die Vorfälle aufzuklären. Zuerst hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung " über den erwähnten Aktionsplan berichtet. Dieser baut laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums auf einem Bericht des Kommandeurs des Feldheeres, Generalleutnant Harald Gante, auf. Das Dokument stehe kurz vor dem Abschluss und werde Heeresinspekteur Freuding dann vorgelegt. Unter Berufung auf Insider aus dem Regiment hatte die "FAZ" in ihrer Ausgabe von diesem Montag ebenfalls über "Hitlergrüße und eine angebliche Nazi-Party" berichtet. Es habe bei der Einheit eine "rechtsextreme, offen antisemitische Clique" gegeben. Frauen in der Truppe hätten Exhibitionismus erlebt und sich sexuelle Witze und Vergewaltigungsphantasien von männlichen Soldaten und teils auch Vorgesetzten anhören müssen. In dem Aktionsplan vorgesehen sind laut der Heeressprecherin Änderungen, die sich auf die Bereiche Ausbildung und Dienstaufsicht beziehen, auf die Struktur der Einheiten, Prävention und Resilienz sowie die Werdegänge der Soldaten. Mit den Maßnahmen soll demnach die Führbarkeit der Luftlandeeinheiten verbessert werden. Um weitere Vorfälle zu verhindern, sollen die Bemühungen in den Bereichen der Erziehung, Wertevermittlung und der Persönlichkeitsbildung verstärkt werden. Erst im Dezember war es an der Unteroffizierschule des Heeres im sächsischen Delitzsch bei einer Weihnachtsfeier zu einem rechtsextremistischen Vorfall gekommen: Ein für die Feier engagierter ziviler DJ hatte dort vor Hunderten Gästen die erste Strophe des Deutschlandliedes abgespielt. Der Kommandeur der Einrichtung hatte daraufhin seinen Dienstposten zur Verfügung gestellt, teilte das Heer mit. "Ich bedaure den Vorfall außerordentlich und übernehme die Konsequenzen. Das Abspielen der ersten Strophe und die bisher nicht ausreichend erfolgte Aufarbeitung entsprechen nicht der Führungskultur im Heer", wurde der Kommandeur der Unteroffizierschule zitiert.