Datum27.12.2025 12:01
Quellewww.zeit.de
TLDRIm Jahresausblick 2026 teilen Journalistinnen und Journalisten ihre Gründe für Zuversicht. Trotz globaler Herausforderungen, wie dem Ukraine-Konflikt und politischen Unsicherheiten, finden sie Hoffnung in gesellschaftlichem Engagement, kulturellen Entwicklungen und wissenschaftlichem Fortschritt. Die Fußball-WM in den USA und Veränderungen in der Autoindustrie sowie neue Ansätze zur Bekämpfung von Lebensmittelallergien bieten Lichtblicke. Persönliche Anekdoten über familiären Zusammenhalt und kreative Rückkehr von alten Medien bekräftigen die positive Einstellung. Der Artikel ermutigt, optimistisch ins neue Jahr zu blicken.
InhaltWeltpolitik, kleine und große Entwicklungen, privates Glück: ZEIT-Kolleginnen und -Kollegen berichten, was sie für das neue Jahr zuversichtlich stimmt. Sie lesen den Nachrichtennewsletter "Was jetzt?" vom 27. Dezember 2025. Um den Newsletter von Sonntag bis Freitag per Mail zu erhalten, melden Sie sich hier an. Das neue Jahr könnte schwierig werden. Warum aber nicht mal die Perspektive wechseln? Wir haben Kolleginnen und Kollegen gefragt, was sie zuversichtlich stimmt. Und siehe da: Es gibt viele gute Gründe. Doch lesen Sie selbst: viel Spaß! 2025 war für die Ukraine so zermürbend wie kein anderes Jahr in diesem Krieg. Monat um Monat wurde klarer, dass Donald Trump sich zwar für einen schnellen Kriegsstopp interessiert, aber nicht für einen anhaltenden Frieden – und dafür lieber Druck auf die Schwachen ausübt als auf die Kriegsverbrecher. Immer dann, wenn die Welt dazu besonders laut über eigentlich nicht hinnehmbare Vorschläge diskutiert, geben mir Gespräche vor Ort Halt. Allein in den vergangenen Wochen lernte ich Jugendliche kennen, die ihre Zukunft in der Ukraine sehen; Architekten, die den Wiederaufbau vorbereiten; Soldaten, die ihre Einheit umstrukturieren wollen, um effektiver zu werden; Ingenieure, die in einem Wahnsinnstempo Systeme entwickeln, um Städte vor nächtlichen russischen Angriffen zu schützen. Sie alle und so viele mehr entscheiden sich jeden Tag dafür, weiterzumachen, damit ein kleiner Teil des großen Ganzen bald besser läuft. Das gibt mir Zuversicht fürs neue Jahr. Olivia Kortas, Korrespondentin in Kyjiw Ich berichte aus dem Nahen Osten und da sind, ich muss hier nichts schönreden, die Aussichten fürs Erste miserabel. Trotzdem bin ich voller Zuversicht für 2026, und das liegt in der Stille. Denn hört man einmal am Getöse vorbei, sieht das, was sich neben der Gewalt abspielt, nur eben leise, dann erkennt man da eine neue, zärtliche Aufbruchstimmung. Man begegnet ihr zum Beispiel in den Golfstaaten, wo Denkerinnen wie Jokha Alharthi unaufdringlich, aber so zugewandt über die Gegenwart schreiben, dass man nur Lust bekommen kann auf das, was kommt. Alharthis erster Roman Herrinnen des Mondes ist gerade auf Deutsch erschienen. Man nehme sich einen stillen Moment damit und schöpfe Wagemut. Lea Frehse, Redakteurin Außenpolitik In diesem Jahr gab es viele Gründe, sorgenvoll in die Zukunft zu blicken. Gerade, wenn man wie ich in Washington, D. C. lebt und einem der Wahn der ersten Monate von Trumps Comeback, die erschütternde Ratlosigkeit der Opposition und die gefühlte Selbstaufgabe der Republikaner noch in den Knochen steckt. Doch es war noch nie sinnvoll, einen Tag mit Pessimismus zu beginnen. Schon gar nicht ein neues Jahr. Daher hilft nur eins: Darauf setzen, dass die US-Amerikaner auch weiterhin an die Gewaltenteilung, an checks and balances glauben. Dafür gibt es Indizien. Außerdem wird im kommenden November schon wieder landesweit gewählt. Not convinced? Dann können zumindest wir Washingtonians uns auf Nachrichten wie diese freuen: Geht alles gut, trampelt im Frühjahr ein Babyelefant durch den National Zoo. Es wäre der Erste seit fast 25 Jahren. I am ready! Juliane Schäuble, US-Korrespondentin 2026 findet die Fußball-WM unter anderem in den USA statt. Donald Trump will das Turnier für seine Zwecke missbrauchen. Doch er wird in seiner Heimat mitansehen müssen, wie stark der Kontinent ist, den er schlechtredet und zerstört sehen will: Das letzte WM-Finale ohne europäische Beteiligung fand 1930 statt. Damals nahm fast niemand aus Europa teil, weil die Schiffsreise nach Uruguay zu lange dauerte. Der Sport könnte im kommenden Jahr also eine starke Botschaft senden. Das Silicon Valley des Fußballs liegt in Europa. Immerhin! Oliver Fritsch, Sportredakteur Für ein Porträt durfte ich Asmara Habtezion treffen. Als Streetworkerin und Gründerin von Asmaras World begleitet sie in Hamburg Geflüchtete, die im deutschen Asylsystem oft an bürokratische und gesellschaftliche Grenzen stoßen. Wo staatliche Unterstützung endet, organisiert sie konkrete Hilfe – etwa mit Lebensmittelspenden, Sprachkursen und medizinischer Versorgung. Ihr Engagement zeigt, dass gesellschaftlicher Wandel durch Einzelne angestoßen werden kann, die Verantwortung übernehmen und nicht wegsehen. Das macht Mut, auch für 2026. Poliana Baumgarten, Videoredakteurin Gut gemachte Forschung wird weiterhin das Leben vieler Menschen verbessern – trotz einem zunehmend wissenschaftsfeindlichen Umfeld. Mein liebstes Beispiel stammt aus den USA. Dort sinkt seit ein paar Jahren die Zahl der kindlichen Lebensmittelallergien. Das liegt an einer Umstellung der Ernährungsempfehlungen aus dem Jahre 2017. Seitdem wird Eltern empfohlen, Kindern schon früh Erdnussbutter zu geben (Erdnussallergien gehören zu den häufigsten – und ätzendsten– Lebensmittelallergien). Die Empfehlung geht auf eine Studie zurück, in der Wissenschaftler sehr sorgsam Kinder mit einem hohen Risiko für Allergien in zwei Gruppen teilten: Die eine bekam früh Erdnuss, die andere nicht. Dabei zeigte sich, dass eine frühe Exposition Allergien vorbeugt. Klingt klein, wird aber Millionen Menschen weltweit vor Lebensmittelallergien bewahren. Für mich ist das ein bisschen wie Magie. 2026 erwarte ich noch vielmehr davon. Jakob Simmank, Chefreporter Gesundheit Nicht die Einschulung ist das Highlight, sondern das überstandene erste Schuljahr. Alles war neu: Abläufe, Kinder, Konflikte, Emotionen. 2026 freue ich mich deswegen darauf, dass meine Tochter in die zweite Klasse kommt. Aus den unbekannten Kindern sind mittlerweile Freundinnen und Freunde geworden. Ich weiß nun, wie ich die Lehrerin am besten erreiche – und dass es jemanden gibt, die freiwillig Elternvertreterin wird. Auch nehmen wir morgens automatisch den schnellsten Weg zur Schule, wenn wir spät dran sind. Wenn im Sommer die neuen Erstklässlerinnen und Erstklässler kommen, werde ich meine Tochter auf ein Eis einladen und entspannt dem zweiten Schuljahr entgegenblicken. Laura Oelker, Teamleiterin Editorial SEO Donnerstagnachmittag, ich fahre mit meinem Kind durch Berlin, im Halbdunkel leuchtet uns eine Werbung entgegen. Das Kind, in der dritten Klasse schon, liest laut vor: "Früh-a wär alles bes-sa", hält kurz inne, schaut mich an: "Hä, was soll das heißen, Mama?" Ich erkläre, dass der Satz eigentlich "früher war alles besser" heißt und viele damit ausdrücken wollen, dass sie das Heute ein bisschen doof finden. Was denn früher besser gewesen sei, beginnt das Kind zu überlegen, dann: Es hat noch geschneit! Noch gab es keinen Klimawandel. Das stimmt, sage ich, aber es gibt heutzutage auch Medikamente, die es früher nicht gab, und die viele Menschen gesund machen können. Auch leben die Menschen länger. Das Kind überlegt wieder. "Aber dann ist doch jede Zeit irgendwie gut", sagt es schließlich. Jana Gioia Baurmann, Redakteurin im Ressort X Ich kenne mich nicht so gut aus in meiner neuen Stadt, ich lebe erst seit zehn Jahren hier. Meinen Kindern geht es erstaunlicherweise anders, sie sind in dieser Stadt geboren. Mir ist das auf eine sehr durchdringende Art bewusst geworden, als ich mit bestimmt gut 50.000 anderen Menschen in einem Stadion die – in meinem Fall unzutreffende – Zeile "Hier, wo ich geboren bin, wo ich spielte schon als Kind" sang. Der Titel: Mein Hamburg lieb ich sehr. Interpret: Abschlach. Es ist die Stadionhymne des HSV. Wenig später habe ich angefangen, Wochenende für Wochenende an den Stadtrand zu fahren, wobei ich unsere Stadt sehr viel besser kennengelernt habe. Ich stehe am Spielfeldrand, freue mich, wie viele Tore man als GJugenddribbler schießen kann, wenn man auf zwei spielt, und versuche nicht rumzubrüllen. Ich weiß jetzt, wo Farmsen liegt oder Geesthacht und auch Altenwerder. Mehr noch: Ich weiß, wie es da ist, am Samstagmorgen, am Rande des Kunstrasenplatzes. Wenn es möglich ist, in meinem Alter noch derart den Horizont zu erweitern, dann steht uns als Menschheit wenig im Wege. Johannes Gernert, Textchef Das Eintauchen in die Welt der Bilder kann deprimierend sein. So viel Krieg und Leid werden dieser Tage überall in unserer eigentlich so bestaunenswerten Welt dokumentiert. Die Auswahl der Themen fällt mir als Bildredakteur zunehmend schwer. Ich frage mich: Welches Bild zeigt den richtigen Winkel, bietet den authentischen Zugang – welches Foto bewegt? Mich beruhigt, dass das Visuelle häufig mehr Eindruck hinterlässt, als angenommen wird. Das schließe ich aus den Kommentaren, aus Ihren Zuschriften und nehme es auch in Diskussionen und Gesprächen wahr. Ich bin hoffnungsvoll, dass wir uns auch 2026 die Fähigkeit bewahren werden, durch unsere Sinne mit der Welt da draußen zu resonieren – und damit aufrichtig an ihr teilhaben können. Sebi Berens, Bildredakteur Wenn die Aussichten dunkler werden, dann wehrt sich die Wirklichkeit plötzlich. Als wolle sie zeigen, was sie kann und als falle ihr ein, was sie 2026 zu bieten hat. Die erneuerbaren Energien werden ihren Weg als günstigste Energie einfach weiter spazieren, ganz gleich ob die fossilen Oligarchen des Ancien Régime noch hektisch weiterbohren und -baggern. In China gibt es mittlerweile E-Trucks mit 600 Kilowattstunden Akkus zu kaufen. Zu einem runden Geburtstag werden zwei Dutzend Vettern und Cousinen erwartet. Ab Februar wird die japanische Kirsche erste Knospen treiben. Des Weiteren ist der Jakobsweg immer noch da, Camino del Norte, zu Fuß Richtung Santiago, wie auch die kleine Kirche auf Hiddensee, wo im Sommer die Musici Jenenses konzertieren. Vorher wird es Spargel geben. Und dann mache ich auch Erdbeereis. Elisabeth von Thadden, Verantwortliche Redakteurin im Ressort Feuilleton Als Politikredakteurin könnte ich fast jeden Tag in Weltuntergangsstimmung verfallen. Deswegen haben mein Kollege Stefan Schmitt und ich vor zwei Jahren den freundlichen Krisenpodcast gestartet. In jeder Folge sprechen wir mit einem Gast über eine Krise – und immer auch über Lösungen. Mich verblüfft jedes Mal aufs Neue, dass es diese wirklich gibt. Ob sie auch umgesetzt werden, ist dann eine andere Frage. Aber es gibt überall Menschen, die daran arbeiten – sogar dort, wo die Chancen auf Erfolg gerade sehr gering sind. Sie alle eint so ein Gefühl von trotz alledem. Das macht Mut. Petra Pinzler, Politikredakteurin Sich dieser Tage mit der Autoindustrie zu beschäftigen, kann ganz schön runterziehen: Zehntausende Arbeitsplätze sollen abgebaut, Produktionen ins Ausland verlagert, Standorte geschlossen werden. Als würde die DNA der deutschen Wirtschaft langsam zerbröseln wie die alte Rahmedetalbrücke. Doch zwischen diesen Grautönen ist auch Licht. Während meiner Recherchen begegne ich immer wieder begeisterten Ingenieurinnen und ambitionierten Jungunternehmern, die an Technologien arbeiten, die wie ein Booster für die deutsche Wirtschaft wirken könnten. Die Feststoffbatterie etwa – ultrakurze Ladezeiten, enorme Reichweiten: Lange war sie Wunschdenken, nun wird sie erprobt. Zugegeben, es sind kleine Lichtblicke. Aber ich finde: Hinsehen lohnt sich. Fabian Franke, Redakteur Wirtschaft/Mobilität Rentnerinnen und Rentner sollen länger arbeiten, schließlich fehlen überall Fachkräfte. Diesen Wunsch haben bereits mehrere Bundesregierungen formuliert. Doch wie überzeugt man Menschen jenseits der Mitte 60, weiterhin berufstätig zu sein? Friedrich Merz will es ab 2026 mit der Aktivrente probieren. Wer weiterarbeitet, darf bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei hinzuverdienen. Das hat natürlich Kritik ausgelöst, vor allem, weil die Aktivrente zunächst Geld kostet und niemand genau vorhersehen kann, was sie wirklich bringt. Und doch ist es richtig, dass sie ausprobiert wird. In Branchen, in denen besonders viele Fachkräfte fehlen, wird nicht nur jede Arbeitsstunde, sondern auch die wertvolle Erfahrung der Älteren benötigt. Hannah Scherkamp, Redakteurin im Ressort Arbeit Vielleicht ist es gerade in diesen schwierigen Zeiten wichtig, das Kinn über der Kante zu halten. Auch 2026 und auch im trüben Winter: mal grundlos lächeln. Fremden Leuten auf der Straße zunicken. Bisschen Small Talk im Supermarkt, einen blöden Witz machen in der UBahn. Jemandem die Tür aufhalten. Sich jetzt schon auf den Sommer freuen. Und auf die Zeit danach, wenn das Licht milchig wird. In kühlen Seen baden. Äpfel ernten, Brot backen. Bücher lesen, Musik hören. Und: miteinander drüber reden. Mehr in Erleben investieren als in Dinge. Zeugs veraltet, sagen Fachleute, Erinnerungen reifen nach. Versuchen, weniger auf Bildschirme zu starren. Stattdessen rausgehen, in die Ferne schauen, über Wiesen, in einen Wald. Oder einfach nur die Straße entlang. Einem anderen Menschen ins Gesicht. 2026: Vielleicht wird’s gut. Alexander Gumz, Lektor Mich stimmen gleich zwei Dinge zuversichtlich: Das neue Jahr könnte viele gute alte Memes zurückbringen, auf TikTok zeichnet sich dafür eine Bewegung ab. Und noch besser: Vine, die Kult-Video-App mit ihrer kreativen und humorvollen Community, feiert als DiVine ein Comeback. Auf beides freue ich mich sehr. Rose Tremlett, Entwicklungsredakteurin /Internet-Kolumnistin Unter Bücherfreunden in Süddeutschland und darüber hinaus sind die Brüder Riethmüller seit vielen Jahren eine Legende. Heinrich und Michael Riethmüller hatten vor langer Zeit die Buchhandlungen Osiander und Ravensbuch gegründet. Aus den Läden wurden über die Zeit literarisch anspruchsvolle, engagiert geführte Buchhandelsketten. Ebenso legendär wie ihre Läden war die Feindschaft zwischen den Riethmüller-Brüdern. Von allen, die sie kannten, wurde die Fehde bedauert. Jetzt sind die beiden alt geworden und haben ihre Geschäfte an die Söhne übergeben. Die fragten ihre Väter: Worum ging es in eurem Streit noch mal? Die Väter wussten es auch nicht mehr genau, die Söhne arrangierten ein Treffen und – so haben es mir Michael und Heinrich unabhängig voneinander in diesem Herbst erzählt – nach 20 Minuten war der jahrzehntelange Streit geklärt. Die Brüder gaben sich die Hand und die Söhne konnten die verfeindeten Buch-Imperien des Südens nun zusammenführen. Die Geschichte ist wohl schon eine Weile her. Ich habe sie aber gerade erst erfahren. Für mich steckt da sehr viel Zuversicht drin. Und die Ermutigung, über alles zu sprechen. Volker Weidermann, Kulturkorrespondent Das war unser positiver Ausblick. Wie hat er Ihnen gefallen? Über eine Rückmeldung würden wir uns sehr freuen. Falls Sie uns empfehlen möchten: Unseren Newsletter kann man hier abonnieren. Und nun auf in die letzten Tage des Jahres. Haben Sie für die Nacht der Nächte etwas geplant? In Berlin werden ein paar liebe Leute erwartet. Es wird sicher auch um gute Vorsätze gehen. Ich zum Beispiel will weiter versuchen, ein Optimist zu sein. Wie ist das bei Ihnen? Bildredaktion: Caroline Scharff Producing: Jeanette Dalkmann