Datum27.12.2025 11:56
Quellewww.spiegel.de
TLDRDie Wirtschaftsvereinigung der Grünen fordert umfassende Reformen im Renten- und Sozialsystem der Bundesregierung, darunter niedrigere Steuern für Unternehmen und reduzierte Sozialabgaben. Co-Vorstand Karl Haeusgen betont die Bedeutung von Investitionen für die Klimaneutralität und eine weniger bürokratische Verwaltung. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger spricht von einem "Epochenbruch" und fordert einen Bürokratierückbau sowie sozialstaatliche Reformen zur Steigerung der Attraktivität der Arbeit. Im Gegensatz dazu kritisiert IG-Metall-Chefin Christine Benner die Arbeitgeber für ihre anhaltende Kritik am Sozialstaat.
InhaltEine wirksame Rentenreform, weniger Steuern für Unternehmen und niedrigere Sozialbeiträge: Für Wirtschaftslobbyisten sind das keine ungewöhnlichen Wünsche – außer es handelt sich um einen Grünen-nahen Verband. Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen ruft die Bundesregierung dringend zu Reformen im Renten- und Sozialsystem auf. Viele in der Wirtschaft hätten große Hoffnungen in die aktuelle Bundesregierung gesetzt, sagte der Co-Vorstandsvorsitzende des Grünen-nahen Vereins, Karl Haeusgen. "Die minimalen Veränderungen, die bislang bei der Rente in Sicht sind, treiben da richtig den Blutdruck hoch." Haeusgen ist zudem Aufsichtsratsvorsitzender und Hauptaktionär des bayerischen Maschinenbauunternehmens Hawe Hydraulik. Zuvor war er mehrere Jahre lang Präsident des Maschinenbauer-Verbands VDMA. "Die größten Wünsche, die viele Wirtschaftsvertreter an die Bundesregierung haben, sind erstens wirksame Reformen der Rente und der Unternehmensbesteuerung sowie niedrigere Sozialabgaben, zweitens mehr Netze und Speicher im Energiesystem", sagte Haeusgen. Auch der "über Jahrzehnte angehäufte Bürokratieberg" müsse abgetragen werden. "Investitionen für die Transformation kann ich mir als Unternehmer nur leisten, wenn ich genug Netto vom Brutto habe." Er selbst wünsche sich, dass die Bundesregierung den Weg zu wettbewerbsfähiger Klimaneutralität ernst nehme, sagte Haeusgen. Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder gebunden werden können. "Die Chancen für Deutschland als Technologienation sind riesig, und als Familienunternehmer denke ich umgekehrt bei den enormen Klimarisiken auch immer an die nächste Generation." Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger verlangt für das kommende Jahr tiefgreifenden Reformen. "Deutschland braucht einen großen Wurf", sagte Dulger. "Wir stecken in der längsten Krise seit Gründung der Bundesrepublik." Nach zwei Rezessionsjahren in Folge wird für 2025 allenfalls ein Miniwachstum des Bruttoinlandsprodukts erwartet und für das kommende Jahr abermals kein spürbarer Aufschwung. Die Welt verändere sich rasant, sagte Dulger. "Auch wir müssen uns bewegen, wenn wir nicht den Anschluss verlieren wollen." Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe auf dem Arbeitgebertag im November von einem "Epochenbruch" gesprochen und den anhaltenden russischen Angriffskrieg in der Ukraine genannt sowie autoritäre Systeme auf der Welt, ein aggressiver auftretendes China und US-Präsident Donald Trump, der mit Zolltarifen versuche, "America first" durchzusetzen. "Gerade dieser Epochenbruch muss doch dazu führen, dass wir unbürokratischer und schneller werden – und dass wir unseren Sozialstaat neu aufstellen", so Dulger. Er forderte konkret einen deutlichen "Bürokratierückbau". Dies würde Unternehmen und Bürgern mehr Freiheit zur Entfaltung ermöglichen. Zudem müsse es mehr Netto vom Brutto geben. Dulger sprach zudem angesichts steigender Sozialausgaben von kostensenkenden Sozialstaatsreformen. "Unser Sozialstaat muss treffsicherer und gerechter werden." Arbeit müsse deutlich attraktiver werden als Nichtarbeit. "Das alles würde Deutschland so viel attraktiver für Investoren aus dem Inland und dem Ausland machen. Investitionen in den Zwanzigerjahren führen zu Wachstum in den Dreißigerjahren." IG-Metall-Chefin Christine Benner forderte hingegen die Unternehmen und deren Verbände auf, ihre Dauerkritik am Sozialstaat einzustellen. Sie kritisierte, die Arbeitgeber ihrer Branche stünden auch selbst in der Verantwortung, die Krise zu überwinden. Es brauche schnellere Entscheidungswege in den Unternehmen, sagte Benner. "Da hat sich bei vielen nur wenig geändert. Unsere Betriebsräte sagen uns, dass ungefähr die Hälfte der Unternehmen keine Zukunftsstrategie besitzen. Wir brauchen echte Krisenmanager. Statt Strategien gibt es Mimimi über den Sozialstaat." Wenn trotz der bereits beschlossenen Entlastungsvorhaben seitens der Bundesregierung und der EU immer weitere Sozialreformen verlangt würden, richte sich das auch gegen die Beschäftigten, so Benner: "Allen Sozialabbau, alle Kommentare über zu faule oder zu kranke Beschäftigte, nehmen die Menschen gegen sich selbst wahr."