Datum27.12.2025 11:26
Quellewww.spiegel.de
TLDRDer Artikel beschreibt die lehrreiche und chaotische Reise eines Vaters im Jahr 2025 mit seinem Kleinkind. Er reflektiert auf humorvolle Weise über Herausforderungen wie Trotzattacken und die Bedeutung von Geduld, Empathie und Kindheitserlebnissen. Trotz der Überforderung bleibt er ein Lernender in der Elternschaft, was ihn verändert hat. Der Autor lädt Leser ein, ihre eigenen Erfahrungen zu teilen und betont das Wachstum, das aus der Perspektive eines Kindes resultiert.
InhaltWenn man Vater eines Kleinkinds ist, führt der Weg zur Erkenntnis oft vorbei an Eiscreme-Exzessen, Trotzattacken und Zugdurchsagen. 2025 war nicht hübsch sortiert – aber überraschend lehrreich. Es gibt Jahre, die rauschen vorbei wie ein ICE. Und dann gibt es Jahre wie dieses: ein Regionalzug voller Verzögerungen, Gefühlskurven, spontanen Richtungswechseln und der einen Durchsage, die alles zusammenfasst: "Wir kommen hier außerplanmäßig zum Halt aufgrund einer Oberleitungsstörung." Nicht, dass wir uns falsch verstehen, mein Jahr war keine Katastrophe. Reibungslos verlaufen ist es aber auch nicht. (Aber bei wem tut es das schon?) Wenn ich auf meine diesjährigen Ausgaben dieses Newsletters zurückblicke, sehe ich ein wildes Mosaik aus Momenten. Wie ich meine Tochter einmal aus purer Überforderung anschrie. Wie ich darüber grübelte, ob ich kindgerecht die Zwänge erklären könnte, die sich bei Erwachsenen Alltag nennen. Wie sie "Mama!!" rief, wenn ich sie ins Bett bringen wollte – und mich stattdessen in die Abstellkammer kommandierte. Und mittendrin: ich. Einer, der immer dachte, halbwegs zurechnungsfähig zu sein, bis ein zweieinhalbjähriges Mädchen beschloss, dass Socken feindliche Akteure seien. Ich bin in all diesen Momenten ein bisschen derselbe geblieben – und gleichzeitig ein völlig neuer Mensch geworden. Im Januar lernte ich, dass Geduld nicht angeboren ist. Im März entdeckte ich, dass es gefühlsmäßig einen Unterschied macht, ob ich sage "Ich muss" oder "Ich möchte" etwas tun. Im April fragte ich mich, ob Osterhasen moralisch vertretbare Fake News sind. Im Mai begriff ich, dass Autonomiephase ein irreführender Begriff ist: Sie hört nicht auf. Für niemanden. Im Juli lernte ich Zurückweisung kennen – von einer Person, die noch nicht weiß, wie man "Ich brauche Mama" buchstabiert. Im August bewies ich mir, dass Alleinerziehende Superkräfte haben. Im Oktober musste ich mehr über Krätzmilben lernen, als ich jemals gedacht hätte – zum Beispiel, dass sie zu Eiscreme-Exzessen und nächtlichen Zärtlichkeiten führen. Und im November begriff ich, dass Empathie wächst, wenn man die Welt mit den Augen seines Kindes ansieht. All das ist kein Ratgeberwissen. Es passiert im Treppenhaus, im Supermarkt, vor dem Kleiderschrank. Die Wahrheit ist: Auch nach fast drei Jahren als Vater bin ich ein Anfänger. Und auf gewisse Weise werde ich es wohl immer bleiben. Mein Vorsatz fürs neue Jahr? Keiner. Ich bleibe Lernender – und das ist vielleicht die ehrlichste Form von Fortschritt. Wie ist das bei Ihnen? Was haben Sie in diesem Jahr von Ihren Kindern gelernt? Schreiben Sie uns an: familiennewsletter@spiegel.de . Einige Ihrer Antworten möchten wir veröffentlichen – auf Wunsch auch anonym. Einmal die Woche erzählen fünf Mütter und Väter aus ihrem Leben und geben Lesetipps, was für Familien interessant sein könnte. (Wer wir sind, lesen Sie hier.) Schreiben Sie uns gern Ihre Gedanken zum Thema Familie, Ihre kleinen Geschichten aus dem Alltag, Ihre besonderen Momente mit Ihren Kindern! Wir würden uns freuen! Unsere Adresse: familiennewsletter@spiegel.de Hier können Sie den kostenlosen Familiennewsletter abonnieren. Als sogenanntes Verschickungskind vergewaltigt, als vermeintlich behindert aussortiert: Markus Schnermanns Leben ist eine Systemkritik. Und eine Heldenreise. Lesen Sie selbst! Mandy Jörgensen verlor ihren Sohn an Tabletten, jetzt will sie Gesetze ändern. Auch sie ist einer unserer Menschen des Jahres. Um lieben zu können, müssen Menschen etwas aufgeben, sagt der Londoner Psychoanalytiker Stephen Grosz. Warum Schmerz ein guter Gradmesser und wahre Liebe Arbeit ist, erfahren Sie hier . Rindfleisch, Gemüse und Mehlklößchen: Diese Suppe ist nicht nur an Neujahr eine Wohltat. Mit jedem Löffel stellt sich ein großer Friede ein. Dazu empfehlen wir Ihnen Weißwein, idealerweise Welschriesling, Chardonnay oder Riesling. Wasser geht natürlich auch. In meiner vergangenen Kolumne ging es um Hartherzigkeit und Bedürftigkeit. Martha Zacek schilderte mir daraufhin eine Begegnung in Köln, die mich zu folgendem Schluss bringt: Wenn man Hilfe anbietet, sollte man damit rechnen, dass sie wirklich genutzt wird, aber vor allem, dass es am Ende dem eigenen Herzen hilft. "Einmal sprach mich im Hauptbahnhof ein offenbar bedürftiger Mann an und hielt mir einen Pappbecher entgegen. Er bat um etwas Geld, weil er Hunger hatte. Ich gab ihm kein Geld, ging aber mit ihm zu ›Nordsee‹ nebenan, damit er sich etwas zu essen aussuchen konnte. Der gute Mann bestellte zielsicher ein Lachssteak mit allem Drum und Dran – für 18,99 Euro. Ich war kurz baff, wünschte ihm dann aber einfach guten Appetit und verabschiedete mich. Rückblickend hat mich diese Aktion nicht ärmer gemacht, und heute kann ich sogar darüber schmunzeln." Kommen Sie gut ins neue Jahr. Herzlich, IhrPhilipp Löwe