Datum27.12.2025 11:20
Quellewww.spiegel.de
TLDRDer Artikel von Hermann-Josef Tenhagen behandelt die Notwendigkeit einer Vorsorgevollmacht für den Zugriff auf Wertpapierdepots in Deutschland. Trotz der hohen Anzahl von Depots und der existierenden Vollmachten haben viele Menschen keinen klaren Plan für den Notfall. Es wird empfohlen, mit Familienmitgliedern über Vollmachten zu sprechen und diese am besten über bankeigene Formulare zu erteilen, um Probleme im Ernstfall zu vermeiden. Banken erschweren häufig den Zugriff, was es entscheidend macht, rechtzeitig zu handeln und klare Vereinbarungen zu treffen.
InhaltMillionen Deutsche haben ein Wertpapierdepot. Tritt ein Notfall ein, können Angehörige aber oft nicht zugreifen. Jetzt ist der richtige Moment, darüber zu sprechen und vorzusorgen. Zwischen den Jahren verbringen wir Zeit in der Familie. Dann ist Zeit für das Gespräch über das eigene Geld, über das der Eltern und der Kinder. Zwischen den Jahren wäre also auch Zeit für das Gespräch über das eigene Wertpapierdepot. Ein solches Gespräch ist wichtiger, als ich vor wenigen Wochen noch gedacht habe. Hermann-Josef Tenhagen, Jahrgang 1963, ist Chefredakteur von "Finanztip" und Geschäftsführer der Finanztip Verbraucherinformation GmbH. Der Geldratgeber ist Teil der gemeinnützigen Finanztip Stiftung. "Finanztip" refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links, nach deren Anklicken "Finanztip" bei entsprechenden Vertragsabschlüssen des Kunden, etwa nach Nutzung eines Vergleichsrechners, Provisionen erhält. Mehr dazu hier .Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift "Finanztest" geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der "taz". Dort war er jahrelang ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Auf SPIEGEL.de schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld. Zum einen, weil immer mehr Menschen mithilfe von Wertpapieren sparen. Fast 35 Millionen Depots gibt es mittlerweile in Deutschland. Zum anderen: Zwar sollen rund 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger hierzulande eine Vorsorgevollmacht haben, die auch den Umgang mit einem Depot regeln könnte. Mehr als sechs Millionen Bürgerinnen und Bürger haben diese Vollmacht sogar bei einem zentralen Register der Notariatskammer hinterlegt. Der Haken: Fast die Hälfte der von meinen Finanztip-Kollegen untersuchten Banken und Broker akzeptiert eine selbst erstellte Vollmacht nicht. Ein paar mehr stellen sogar noch zusätzliche Bedingungen. Mit einer Vollmacht erlauben Sie zum Beispiel den eigenen Kindern oder dem Partner Zugriff aufs Depot. Wenn Sie möglicherweise größere Summen auf Ihrem Depot geparkt haben, kommen Sie ausgerechnet im Notfall nicht so einfach heran. Ausgerechnet dann, wenn Sie gern über das Geld verfügen würden. Oder wenn Ihre Kinder, Partner oder Freunde für Ihren Notfall über das Depot verfügen müssten, wird diese Verfügung erschwert oder unmöglich gemacht . Ein wesentliches Problem dabei sind Sie selbst mit Ihrer bislang fehlenden Entscheidung, überhaupt eine Vollmacht für Ihre Kinder, Partner oder Freunde zu erteilen. Haben Sie darüber schon mal geredet? Meine Frage für die Tage nach Weihnachten: Wer hätte Zugang zu Ihrem Konto oder Depot, wenn Sie am 2. Januar wörtlich der Schlag träfe? Eigentlich sollte klar sein, wer den Zugriff unter welchen Bedingungen hat – genau wie Ihre Familienmitglieder wahrscheinlich wissen, wo der Autoschlüssel zu finden ist. Beim Depot ist das womöglich noch wichtiger als beim Konto oder Autoschlüssel. Denn wenn die finanzielle Not zur großen gesundheitlichen Not hinzukommt, möchte und muss man an die Ersparnisse herankommen, weil man die Kosten nicht aus dem laufenden Konto decken kann. Meine Erfahrung aus vielen privaten Gesprächen, aber auch Call-in-Sendungen oder Finanztip-Expertengesprächen : In mancher Familie findet ein solches Gespräch über diese grundsätzlichen Fragen überhaupt nicht statt. Über Geld wird in Deutschland zu wenig gesprochen. So richtig verstehe ich nicht, woher diese Angst vor dem Gespräch kommt. Sprechen bedeutet im ersten Schritt noch gar nicht bevollmächtigen. Und eine Vollmacht ist noch keine finale, quasi-testamentarische Verfügung, sondern erst mal eine praktische Regel für den wirklichen Notfall. Sie können sie im kommenden Jahr wieder ändern . Banken und Broker erschweren den praktischen Umgang mit solch grundsätzlichen Fragen. Neun der 21 von Finanztip untersuchten Banken und Broker akzeptieren eine klassische Vorsorgevollmacht nicht, wie man sie als Modell auf den Seiten des Bundesjustizministeriums oder von der Stiftung Warentest bekommen kann. Das geht bei Flatex los, betrifft aber genauso Trade Republic oder die Commerzbank. Beim Online-Depotangebot der Sparkassen, dem S Broker, muss eine solche Vorsorgevollmacht von einem Notar beglaubigt sein. Genauso wie bei der 1822direkt, der Direktbank der Frankfurter Sparkassen. Bei einigen anderen Anbietern, die eine solche Vollmacht akzeptieren, muss Ihr Angehöriger diese jedes Mal erneut vorlegen, wenn er im Notfall ein Wertpapier verkaufen oder Geld auszahlen will. Mit anderen Worten: Bei den meisten Banken und Brokern vermeiden Sie im Notfall Probleme, wenn die Vollmacht aus dem eigenen Haus stammt, gewissermaßen auf dem Briefbogen der Bank. Wollen Sie Ihren Kindern, Ihren Eltern, Geschwistern oder Freunden eine solche Vollmacht geben, müssen Sie mit den künftigen Bevollmächtigten oft noch persönlich zur Bank, dort einen Termin machen und auf einem bankeigenen Formular unterschreiben. Bei den von meinen Kollegen untersuchten Onlinedepots funktioniert das auch ohne Vor-Ort-Termin. Bei der DKB können Sie zum Beispiel ein entsprechendes Formular im Onlinebanking ausfüllen. Bei der ING, der Comdirect oder der Consorsbank müssen Sie ein PDF-Formular ausdrucken, unterschreiben und dann der Bank zusenden. Der künftige Bevollmächtigte muss sich dann noch bei der Post oder in einem Videocall identifizieren. Gerade bei den sogenannten Neobrokern ist die Erteilung der Vollmacht über das Bankformular aber noch schwieriger oder gar nicht möglich. Der Marktführer Trade Republic bietet gar keine Vollmacht an. Beim Wettbewerber Scalable Capital gibt es nur eine Vollmacht, die erst nach dem Tod wirksam wird. Haben Sie Ihr Depot zum Beispiel bei TradersPlace oder Smartbroker, müssen Sie sich an die Depotbank, die Baader Bank, wenden, um dort eine Vollmacht zu erteilen. Vom Kundenservice der Baader Bank erhalten Sie ein PDF-Formular, das Sie dann ausdrucken, unterschreiben und zurücksenden. Ein weiteres Problem: Möchte Ihr Bevollmächtigter im Notfall für Sie Geschäfte tätigen, kann er das bei der Baader Bank nur schriftlich erledigen. Wenn er also einen Fonds verkaufen möchte, um an Geld zu kommen, muss er jedes Mal einen Brief verfassen und selbst unterschreiben. Eine E-Mail reicht nicht. Ich will Sie jetzt natürlich nicht ohne Ansatz für eine Lösung lassen. Das muss ja nicht sein. Nutzen Sie die ruhigen Tage mit der Familie und mit den Freunden, um die folgenden Vorkehrungen zu treffen. Schritt 1: Entscheiden Sie jetzt, wem Sie in der Familie oder im Freundeskreis vertrauen und wem Sie deshalb die entsprechenden Vollmachten erteilen wollen. Es muss gar nicht die umfassende Vollmacht für alles sein, wie ich sie von den Eltern erhalten habe. Es kann auch die eine Vollmacht fürs Gartengrundstück, fürs Girokonto und eben fürs Depot sein. Sprechen Sie aber jetzt mit den Auserwählten, fragen Sie, ob die Verwandten oder Freunde die Verantwortung übernehmen wollen, bitten Sie um deren Einverständnis und klären Sie alle anderen Beteiligten über Ihre Entscheidung für die konkrete Person auf. Schritt 2: Für Ihr Depot sollten Sie besser auf Nummer sicher gehen und eine Vollmacht über das Bankformular erteilen. So ist es am unwahrscheinlichsten, dass es im Notfall zu Problemen kommt. Denn dann haben Ihre Angehörigen vermutlich andere Sorgen, als sich mit der Bank herumschlagen zu müssen. Ist es Ihnen wichtig, dass Ihre selbst erstellte Vorsorgevollmacht zur Geltung kommt, sollten Sie auf jeden Fall beim Kundenservice nachfragen, ob und wie die Bank die Vollmacht akzeptiert. Vielleicht ist entscheidend, dass die Vollmacht im zentralen Vorsorgeregister hinterlegt ist. Dann können Sie das Verfahren jetzt anstoßen und im neuen Jahr zügig abschließen. Wichtig zu wissen ist noch: Mit der erteilten Vollmacht hat Ihre Vertrauensperson erst mal jederzeit die Möglichkeit, für Sie Geschäfte zu tätigen. Ob Sie wirklich aktuell nicht handeln können, muss die Bank nicht prüfen. Allerdings muss der Bevollmächtigte natürlich in Ihrem Sinne handeln. Und: Sie können in einem eigenen Dokument mit dem Bevollmächtigten das "Innenverhältnis" regeln. Also zum Beispiel festhalten, dass er nur bei Krankheit oder bis zu einem bestimmten Geldbetrag tätig werden darf. Hält er sich nicht daran, können Sie oder Ihre Erben später Schadensersatz verlangen. Möglicherweise werden Sie feststellen, dass Ihre Bank oder Ihr Broker Ihnen an dieser Stelle das Leben schwer macht. Dann ist es an der Zeit, sich zu überlegen, jenen Teil Ihres Vermögens, für den Sie solche Vollmachten dringend brauchen, zu einer anderen Bank oder einem anderen Broker zu verlegen: zu einem Institut, das solche Vollmachten tatsächlich ermöglicht. Banken und Broker, die Ihnen das Leben leichter machen, finden Sie jedenfalls mit dem Depottest meiner Kolleginnen und Kollegen von Finanztip . Vielleicht läuft es aber auch erstaunlich glatt. Bei all diesen Überlegungen mag die neuerdings härtere Hand der Finanzaufsicht Bafin helfen. Die Bafin kontrolliert aktuell genauer, ob Banken und Broker ihre Kunden wirklich kennen. Deshalb investieren die Finanzhäuser an etlichen Stellen in einen einfacheren und sicheren Onlineprozess zur Identifikation der eigenen Kunden. Sie wiederum können Ihren Vertrauten künftig leichter eine wirksame Vollmacht erteilen.