Metallindustrie rechnet mit Verlust Zehntausender weiterer Arbeitsplätze

Datum27.12.2025 11:00

Quellewww.spiegel.de

TLDRIn der Metall- und Elektrobranche Deutschlands drohen bis 2026 zehntausende Arbeitsplatzverluste aufgrund hoher Produktionskosten, steigender EU-Bürokratie und internationaler Wettbewerbsdruck. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall warnte, dass diese Industrie seit 21 Monaten Jobverluste verzeichnet. Die IG Metall fordert Investitionen in Zukunftstechnologien und eine aktive Rolle der Politik zur Stabilisierung der Branche. Beide Seiten betonen die Bedeutung der Industrie für den Wohlstand und die Demokratie in Deutschland. Der faire Wettbewerb mit China wird als drängendes Problem identifiziert.

InhaltArbeitgeber und Gewerkschaft zeichnen die Lage in der Metall- und Elektrobranche in düsteren Farben: Auch 2026 drohten Jobverluste, Deutschlands Exportmodell sei in Gefahr. Bei Lösungsansätzen herrscht weniger Einigkeit. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall rechnet 2026 mit einem weiteren Abbau Zehntausender Arbeitsplätze in der Metall- und Elektrobranche. Verantwortlich dafür seien hohe Produktionskosten für Firmen in Deutschland. Eine unterausgelastete Produktion "können die Unternehmen nicht auf Dauer aushalten. Aktuell verlieren wir pro Monat fast 10.000 Arbeitsplätze", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Oliver Zander, der "Bild"-Zeitung. "Die Steuern, die Energiekosten und die Arbeitskosten sind am Standort Deutschland so hoch, dass sich für viele Unternehmen die Produktion hier schlicht nicht mehr rechnet", sagte Zander. Die Beschäftigung in der Branche sinke bereits seit 21 Monaten ununterbrochen, und zumindest kurzfristig werde sich das auch nicht ändern. Ende Oktober waren in der deutschen Metall- und Elektroindustrie nach Branchenangaben 3,816 Millionen Menschen beschäftigt. Von der Bundesregierung forderte der Gesamtmetall-Chef, sich stärker für einen Abbau der EU-Bürokratie einzusetzen. In diesem Jahr werde es einen neuen Rekord bei verbindlichen Rechtsakten und Rechtsaktänderungen durch die EU-Kommission geben, sagte Zander. "Auf Anregung von Bundeskanzler Merz wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs am 13. Februar 2026 die EU-Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Es ist unerlässlich, dass dort auch eine Eindämmung der Rechtsakte beschlossen wird", sagte er. Die IG Metall sieht hingegen auch die deutsche Industrie in der Pflicht, sich im Verein mit Politik und Belegschaften aus der tiefgreifenden Krise zu befreien. Mit Blick auf US-Zölle, Chinas Aufholjagd und hohe Energiepreise infolge des Ukrainekriegs stellte die Erste Vorsitzende Christiane Benner fest: "Es sind schon extreme Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft. Das Exportmodell ist in Gefahr." Die Chefin der größten deutschen Gewerkschaft spricht sich für gezielte Investitionen Europas in Digitalisierung und Zukunftstechnologien wie der Batterietechnik aus. Es stehe viel auf dem Spiel, sagt Benner. "Ohne Industrie ist Deutschland ein armes Land. Und wenn der Wohlstand weggeht, gefährden wir unsere Demokratie." Die Abkehr vom Verbrenner-Aus im Jahr 2035 verschaffe wichtigen Branchen ausreichend Spielraum, um nach besseren Lösungen zu suchen und die industriellen Kerne zu erhalten. "Wir würden gerade im Zulieferbereich Zeit gewinnen. Wir brauchen diese Zeit auch, um die Menschen zu qualifizieren und den Umbau sozialer zu gestalten. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr für die Unternehmen. Arbeitsplatzsicherung muss an erster Stelle stehen", sagte Benner. Nach dem Brüsseler Beschluss zum Verbrenner-Aus und weiteren Weichenstellungen müsse nun die Industrie liefern, so Benner. "Die Politik hat ja durchaus geliefert: Was die Energiekosten anbelangt, was die Förderung von Elektromobilität anbelangt, bessere Abschreibemöglichkeiten. Ja, es ist noch viel zu tun. Aber diese Entlastungssignale werden nicht ausreichend wertgeschätzt." Ihr gehe es um die Arbeitsplätze und die Beschäftigten, so Benner. "Wir dürfen sie nicht in den halb freiwilligen Vorruhestand oder gar in die Arbeitslosigkeit verlieren, sondern müssen sie auch für andere Tätigkeiten qualifizieren. Es gibt Bereiche, die wachsen und in denen Fachkräfte fehlen. Ich denke da nicht nur an Rüstung. Dazu gehören auch der Flugzeugbau, die Medizintechnik oder der ganze Bereich der Energiewende." Es sei ein Desaster, wenn ohne Sinn und Verstand Werke geschlossen, die Forschung und Entwicklung nach Asien oder Osteuropa verlagert werde. "Ganze Strukturen werden so kaputtgemacht." Es komme darauf an, die industriellen Kerne zu erhalten und sich auf die eigenen Stärken zu besinnen. In einer Hinsicht sieht die Gewerkschaftschefin jedoch weiterhin die Politik in der Pflicht: Mit China herrsche kein fairer Wettbewerb. Europa müsse sich gegen unfairen Wettbewerb zur Wehr setzen. Man könne von den USA lernen, bei der Ansiedlung von außereuropäischen Firmen auf lokale Wertschöpfung zu bestehen, so Benner. "Wir brauchen klare Vorgaben für local content , damit beispielsweise die massiv mit öffentlichen Milliarden gestützte Deutsche Bahn nicht bei BYD Busse bestellt."