Datum27.12.2025 05:00
Quellewww.zeit.de
TLDRDie Dresdner Club-Betreiberin Josefine Went schildert die Herausforderungen des Clubbetriebs im Kontext des "Clubsterbens". Hohe Kosten für Miete, Betrieb und Löhne sowie ein steigender Mindestlohn setzen viele Clubs unter Druck. Obwohl die Eventzahlen seit der Pandemie gestiegen sind, bleibt die finanzielle Lage prekär. Jochen Buchta von der Live Initiative Sachsen fordert mehr Unterstützung und ein Umdenken in der Förderung von Clubs als Kulturstätten. Das OKA in Dresden hofft auf das Überleben und plant eine zehnjährige Jubiläumsfeier.
InhaltHier finden Sie Informationen zu dem Thema „Clubsterben“. Lesen Sie jetzt „Tanz ums Überleben – Eine Dresdner Club-Betreiberin erzählt“. "Wir können nicht jeden Monat die Löhne pünktlich zahlen", sagt Josefine Went. Sie steht auf dem gekachelten Floor des Dresdner Technoclubs "objekt klein a". Sonnenlicht fällt durch die bunt beklebten Fenster. Von den nächtlichen Raves ist jetzt gerade nichts zu spüren. "Es ist echt ein sehr krasses Auf und Ab", sagt sie. Went leitet zusammen mit Felix Buchta das OKA, wie sie den Club nennen. 65 Menschen sind derzeit angestellt. "Es tut natürlich immer weh zu sagen und fühlt sich sehr unsolidarisch an, aber auch der steigende Mindestlohn ist für uns ein Problem", sagt die Geschäftsführerin. Nicht nur das: Die hohen Kosten für Miete und Betrieb machen dem Club ebenfalls zu schaffen. "Wir gehen ganz gut aus 2025 raus und haben gleichzeitig auch schon wieder Angst vor 2026." Wie dem OKA geht es vielen Clubs. Zwar würden seit der Corona-Pandemie wieder mehr Menschen feiern gehen, aber Energie, Mieten, Gagen und Löhne seien spürbar teurer geworden, sagt OKA-Geschäftsführer und Vorstand der Live Initiative Sachsen (LISA), Felix Buchta. "Die Situation der sächsischen Clubs und Livemusikspielstätten ist weiterhin extrem prekär und für viele existenzbedrohend", sagt er. "Viele Clubs arbeiten am Rande der Rentabilität und überleben seit der Corona-Pandemie nur mit massiven Anstrengungen, dank der Solidarität in der Szene und durch persönliche Ausbeutung", erklärt Buchta. Doch diese Ressourcen seien endlich. Die wenigsten Spielstätten würden noch über Rücklagen verfügen. "Wenn sie überhaupt jemals welche hatten." Im September hatte die Linksfraktion im sächsischen Landtag einen Schutzschirm für Clubs und Livemusikbühnen gefordert. Steigende Kosten, Besucherrückgänge und fehlende Unterstützung würden viele Einrichtungen in ihrer Existenz bedrohen. Die Fraktion forderte daher ein Soforthilfeprogramm. Auch die Art, wie Menschen feiern, hat sich seit der Corona-Pandemie verändert, sagt Alex Pagel vom neu gegründeten Büro für Popkultur und Musik Sachsen (BPM). "Junge Generationen haben schlichtweg ein Stück weit verlernt, in den Club zu gehen", sagt Pagel. Bei weniger Publikum würden die Veranstalter bei ihren Buchungen eher auf Nummer sicher gehen. Und das sei auch für viele Nachwuchskünstlerinnen und -künstler ein Problem. Hinzu komme, dass Clubs häufig neuen Wohnungen weichen müssten. So sei es etwa beim Leipziger Kultclub "Distillery" gewesen, der mehrfach umziehen musste und dieses Jahr an einem neuen Standort eröffnete. "Der ist aber auch noch ungewiss", sagt Pagel. Eine Idee sei die Einführung einer Schutzzone, wie es in Köln geplant sei. Dort hat die Stadt einen Bebauungsplan für eine bestimmte Zone aufgestellt, um die dortige Club- und Nachtkultur städtebaulich zu schützen. Für manche kommt dagegen jede Hilfe zu spät, so auch für das "Institut für Zukunft" (IfZ) in Leipzig. Vergangenes Jahr hatte der Club nach zehn Jahren dichtgemacht. Und auch der Nachfolger Axxon N. kämpft nach eigenen Angaben wegen hoher Renovierungskosten und einem schwierigen Sommer ums Überleben. Medienberichten zufolge läuft ein Insolvenzverfahren. "Wir sind mitten in Gesprächen darüber, wie der Club weitergeführt werden kann", heißt es in einem Post auf der Plattform Instagram von November. Nach Angaben des Netzwerks LISA sind Clubs und Livemusikspielstätten nicht nur Begegnungsorte und Schutzräume, sondern hätten auch eine zentrale Bedeutung für die Förderung des künstlerischen Nachwuchses. Buchta fordert daher ein Umdenken. "Ohne sinnvolle Querfinanzierungsmodelle wird die sächsische Clubkultur kaum zu erhalten sein", fürchtet er. Es sei nicht gerecht, dass Clubs nach wie vor um Anerkennung als Kulturstätten und Förderung kämpfen, während die meisten Mittel an "die altehrwürdigen Häuser mit Samtsitzen" gingen. Im OKA hat sich seit der Eröffnung 2017 auf dem Industriegelände in Dresden-Neustadt einiges getan. "Wir haben viel mehr Veranstaltungen als früher", erzählt Went. Früher habe es nur zwei Raves im Monat gegeben, inzwischen seien es mehr als zehn. Mittlerweile vermieten sie die Räume auch für Geburtstage, Firmenfeiern oder Hochzeiten und hätten fast das ganze Jahr geöffnet. Vor rund zweieinhalb Jahren hatte der Club nach einem Brand trotzdem einen öffentlichen Hilferuf gestartet. Aktuell erhalten sie Fördergelder von der Stadt Dresden, sagt Went. Die reichten aber nicht aus. 2026 erhalten sie wegen der Haushaltssperre sogar nur 75 Prozent der Förderung. Die meisten Angestellten, DJ-Gagen und übrige Ausgaben würden allein über den Clubbetrieb finanziert. "Es gibt aber auch immer wieder Lichtblicke", sagt Went. Kürzlich habe der Club einen der Hauptpreise des Applaus-Awards gewonnen, einem hoch dotierten Kulturpreis des Bundes. Zudem würden an Silvester meistens sehr viele Menschen kommen. "Das macht ein bisschen Hoffnung auf dieses Jahr gesehen", sagt Went. Im April 2026 wird das OKA neun Jahre alt. "Wir haben gesagt, wir wollen auf jeden Fall zehn Jahre alt werden – und eigentlich auch 30." © dpa-infocom, dpa:251227-930-469698/1