Prostitution: Sexarbeit im Schatten nicht zu fassen

Datum25.12.2025 04:00

Quellewww.zeit.de

TLDRIn Baden-Württemberg sind viele Sexarbeiterinnen schwer erreichbar für Beratungsstellen, da sie zunehmend außerhalb regulierter Betriebe arbeiten. Dies birgt Risiken und erschwert die Kontrolle. Über 80 Prozent der Frauen sind Migrantinnen und berichten von riskanten Praktiken. Die Zahl der offiziell registrierten Prostituierten ist gesunken, und viele arbeiten in ungestatteten Orten wie Hotels und Wohnungen. In Gemeinden mit weniger als 50.000 Einwohnern ist Prostitution teilweise verboten. Das Prostituiertenschutzgesetz hat zu einem Rückgang der registrierten Prostituierten und Betriebe geführt.

InhaltHier finden Sie Informationen zu dem Thema „Prostitution“. Lesen Sie jetzt „Sexarbeit im Schatten nicht zu fassen“. Viele Sexarbeiterinnen sind in Baden-Württemberg vom Schirm der Behörden verschwunden und schwer zu erreichen für Beratungsstellen. "Es arbeiten vermehrt Frauen außerhalb von Betrieben. Dies birgt eigene Gefahren und ist nur schwer kontrollierbar", sagt Simone Heneka vom Landesnetzwerk der Fachberatungsstellen für Menschen in der Prostitution in Baden-Württemberg.  Auch für die Beratungsstellen sei die Arbeit deutlich erschwert, da die Arbeitsstätten nicht bekannt seien und ständig wechselten. Ein direkter Zugang sei dadurch fast nicht mehr möglich.  "Wir suchen regelmäßig Frauen im Rotlichtbezirk und in den Bordellen vor Ort auf und führen daneben Online-Streetwork durch. Das heißt, wir kontaktieren Frauen in Mannheim, die ihre Leistungen auf einschlägigen Internetseiten anbieten", sagt die Leiterin der Beratungsstelle Amalie, Astrid Fehrenbach. "Die Mehrzahl unserer Frauen, das heißt über 80 Prozent, sind Migrantinnen. Sie berichten regelmäßig, dass Sex ohne Kondom - obwohl verboten - von den Freiern selbstverständlich eingefordert wird und dass harte Sexualpraktiken vorgenommen werden." Dies präge das Geschäft sehr stark und dies habe es früher so nicht gegeben. Die meisten Frauen lebten in starken Abhängigkeiten und könnten sich kaum erlauben, dies zurückzuweisen und Freier zu verlieren.  Nur ein Bruchteil der Frauen in der Prostitution ist laut Fehrenbach angemeldet und arbeitet legal in den Laufhäusern und Bordellen. Der weitaus größere Teil ist an anderen Orten tätig. Dies seien unter anderem Hotels, Boarding-Häuser, Airbnb, Terminwohnungen. Genaue Zahlen gebe es hierzu nicht. Auch dem Sozialministerium liegen hierzu keine validen Daten vor. Nach Rückmeldungen der baden-württembergischen Fachberatungsstellen wird jedoch davon ausgegangen, dass der überwiegende Teil der Prostituierten in der Hotel-, Wohnungs- und Straßenprostitution arbeitet. "Frauen ohne legalen Aufenthalt ist es nicht möglich, sich in der Prostitution anzumelden und in einem Bordell zu arbeiten. Werden sie bei einer Razzia angetroffen, werden sie ausgewiesen. Zum Teil handelt es sich um Menschenhandelsopfer oder Frauen in der Zwangsprostitution. Die Fluktuation in diesem Bereich ist sehr groß", sagt Fehrenbach. Laut dem Sozialministerium wechseln Sexarbeiter häufig ihre Arbeitsstätte bereits nach kurzer Zeit. Die Zahl der offiziell registrierten Prostituierten und Bordelle ist in Baden-Württemberg am Sinken. Ende Dezember waren 2024 laut dem Landesamt für Statistik 3.762 Personen in der Prostitution gemeldet, die meisten davon in Stuttgart, auf Platz zwei folgt Böblingen. Im Jahr 2019 waren in Baden-Württemberg noch 4.972 Menschen in der Sexarbeit tätig. Wegen des Prostituiertenschutzgesetzes werden seit 2017 Daten zu den in der Prostitution tätigen Personen und zum Prostitutionsgewerbe erhoben. Seitdem werde tendenziell ein deutlicher Rückgang beobachtet. Auch bei den Prostitutionsstätten: Waren 2018 noch 314 gemeldet, seien es im Jahr 2024 noch 192 gewesen.  In Baden-Württemberg ist Sex gegen Geld in Gemeinden mit einer Einwohnerzahl bis zu 35.000 verboten. In Gemeinden bis zu 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern kann auf Antrag der Gemeinde die Prostitution für das ganze Gebiet oder für bestimmte Bereiche der Gemeinde durch das Regierungspräsidium untersagt werden. Das sind dann sogenannte Sperrbezirke. Demgegenüber darf in Gemeinden von mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern die Prostitution nach ständiger Rechtsprechung nicht von vornherein vollständig ausgeschlossen werden. © dpa-infocom, dpa:251225-930-465193/1