Meinung: Schule: Ich habe mein Kleinkind mit in den Unterricht genommen – was für ein Fehler!

Datum23.12.2025 06:43

Quellewww.spiegel.de

TLDREin Gymnasiallehrer nahm sein krankes Kleinkind zum Unterricht mit, um einen Kindkranktag zu sparen. Der letzte Schultag vor den Ferien war chaotisch: Das Kind fiel, kotzte und das Lehrer-Ich kämpfte mit den Herausforderungen. Trotz der anfänglichen Zuversicht brachte die Situation viel Stress und Verantwortung mit sich, was schnell zu einer ernsten Herausforderung wurde. Letztlich bereut der Lehrer seine Entscheidung und ist erleichtert, dass die Ferien begonnen haben, um eine Auszeit ohne Krankheitsprobleme zu genießen.

InhaltDer letzte Tag vor den Ferien, da passiert nicht viel. Das dachte ein Gymnasiallehrer und nahm sein Krabbelkind mit in den Unterricht. Hier erzählt er, warum das eine ganz schlechte Idee war. Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde. Nur noch drei Unterrichtsstunden bis zu den Ferien. Der Einsatz schien für mich als Lehrer überschaubar. Kurz vor Weihnachten passiert schließlich sowieso nichts mehr außer Frühstücken und Filmschauen. Aber dann traf ich eine Entscheidung, die ich rückblickend bereue: Ich nahm mein jüngstes Kind mit. Es lernt gerade Laufen und ist seit ein paar Wochen in der Kita. Das heißt: Wir stecken als Familie mitten in der Hals-Nasen-Ohren-Magen-Darm-Hölle. Zehn von 15 möglichen Kind-krank-Tagen musste ich schon nehmen. Einen weiteren dieser für uns so wertvollen Tage für den letzten Schultag zu opfern, schien meiner Frau und mir unnötig. Der Kleine war krank gewesen, tobte aber schon wieder fröhlich umher. In die virenverseuchte Kita wollten wir ihn noch nicht wieder bringen, wir hatten eine vermeintlich bessere Idee: Meine Frau geht später ins Büro und ich nehme ihn mit in die Schule. Frühstück und Film schauen, das klappt schon irgendwie, dachte ich. Der Filmraum unserer Schule erinnert an ein Amphitheater, das ist für meinen Sohn bestimmt ein Kletterparadies. Woran ich nicht gedacht hatte: Es ist ein Kletterparadies ohne weiche Matten. Zuerst klappt alles einigermaßen gut. Die Klasse schaut den Film, während mein Sohn quer über die Stufen krabbelt. Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob die Kinder mehr vom Film oder von mir fasziniert sind. Denn ich haste permanent verzweifelt hinter ihm her. Kurz vor der Pause ist es dann so weit: Das Kind fällt eine Stufe hinunter. Es schlägt mit dem Kopf gegen das Geländer – zum Glück, ohne sich zu verletzen. Das Geschrei ist trotzdem groß. Ich schnappe ihn mir und laufe in den Flur. Zwei Schüler kommen mir entgegen. In dem Moment, in dem wir Blickkontakt aufnehmen, kotzt mein Sohn zweimal in großem Strahl direkt in ihre Richtung. Die halb verdaute Milch platscht auf den Boden, der mit diesem netzartigen Fußabtreter-Material ausgelegt ist, eine Gummimatte voller Rillen und Löcher. Ich schnalle das schreiende Bündel in den Kinderwagen und kratze die Kotze mit Papiertüchern aus den Ritzen. Die Pause beginnt, weitere Schüler strömen heran: "Süß, ist das ihr Sohn?" – "Ja, und das ist seine Kotze." Sie sind Lehrer oder Lehrerin und möchten auch etwas gestehen, erzählen, loswerden? Dann schicken Sie uns gern Ihre kurze Geschichte: E-Mail senden an karriere.leserpost@spiegel.de  In der Eile stopfe ich ein Papierknäuel nach dem anderen in die Toilette und es kommt, was kommen muss: Das Klo ist verstopft. Verzweifelt schnappe ich mir die erstbeste Schülerin und stelle sie als Wache beim Kind ab. Währenddessen räume ich im wahrsten Sinne des Wortes hemdsärmlig die Kloschüssel aus, also richtig grob rein mit dem Arm, einfach so, alles muss schnell gehen. Erst ziehen, dann spülen, dann stopfen und wieder spülen, schließlich Hände und Arm bis zur Schulter waschen und wieder zum brüllenden Kind. Ich erlöse die sichtlich erleichterte Schülerin von ihrer gänzlich unangebrachten Aufgabe, doch das Geschrei hört immer noch nicht auf. Wo ist bloß der verdammte Schnuller? An das Klassenfrühstück ist nicht mehr zu denken, zum Glück ist da ja noch die zweite Klassenlehrerin. Ich gebe schnell einem Schüler Bescheid, dass ich losmuss und schiebe das schreiende Kind bis zum nächsten Drogeriemarkt: Endlich ein Schnuller und endlich Ruhe. Zu Hause ziehe ich meinen Schlüssel aus der Jackentasche und der verloren geglaubte Schnuller purzelt heraus. Zum Glück sind jetzt Ferien und zwei weitere Wochen ohne Kindkranktage überbrückt.