Ärzte: Medizinischer Dienst fordert Offenlegung von Behandlungsfehlern

Datum22.12.2025 08:18

Quellewww.spiegel.de

TLDRDer Medizinische Dienst der Krankenkassen fordert die Pflicht zur Offenlegung von Behandlungsfehlern, um große persönliche Schäden und Milliardenkosten zu reduzieren. Aktuell bleibt eine hohe Dunkelziffer an Fehlern unentdeckt, da Patienten nicht informiert werden müssen. Stefan Gronemeyer wies darauf hin, dass nur drei Prozent vermeidbarer Schadensfälle erfasst sind. Er plädiert für ein Register für schwerwiegende Fehler (“Never Events”), um aus Fehlern zu lernen. Zudem muss eine Kultur der Offenheit etabliert werden, um das Vertrauen in das Gesundheitssystem zu stärken.

InhaltBehandlungsfehler sorgen für große persönliche Schäden und kosten wohl Milliarden. Der Begutachtungsdienst der Krankenkassen dringt auf eine Pflicht, solche Fehler offenzulegen. Derzeit bleibe zu viel im Dunkeln. Der Begutachtungsdienst der Krankenkassen fordert, endlich Ärzte und Gesundheitseinrichtungen dazu zu verpflichten, Behandlungsfehler aktiv offenzulegen. Es gebe eine hohe Dunkelziffer. "Derzeit müssen Patientinnen und Patienten, bei denen die Behandlung anders als geplant gelaufen ist, nicht darüber informiert werden", kritisierte der Chef des Medizinischen Dienstes Bund, Stefan Gronemeyer, im Gespräch mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND). Das müsse anders werden: Immer, wenn ein Fehler passiere oder ein Schaden aufgetreten sei, müssten die Betroffenen unaufgefordert darüber in Kenntnis gesetzt werden. Für das Jahr 2024 hatte der Medizinische Dienst Ende Oktober einen Bericht vorgestellt, nach dem die Gutachter 12.304 Fälle geprüft hatten, in denen Patienten etwa niedergelassenen Ärzten oder in Kliniken Behandlungsfehler vorgeworfen hatten. Rund 3300 davon seien als Fehler mit einem Schaden für die Patienten identifiziert worden – in 2800 Fällen sei der Behandlungsfehler nachweislich die Ursache gewesen. 134 Fälle dieser Fälle seien sogenannte Never Events, also schwerwiegende Fehler, die vermeidbar wären: schwere Medikationsfehler, nach Operationen unbeabsichtigt im Körper zurückgebliebene Fremdkörper, die Verwechslungen von Patientinnen und Patienten oder des zu operierenden Körperteils. Mehrfach warnte Gronemeyer schon, dass die Zahlen lediglich einen kleinen Ausschnitt der Realität zeigten. Anhand wissenschaftlicher Studien sei davon auszugehen, dass nur drei Prozent aller vermeidbaren Schadensfälle nachverfolgt und statistisch erfasst würden. Getan aber habe sich nichts, kritisierte Gronemeyer nun. Dabei handle es sich "um ein enormes Problem". Angesichts von Millionen Behandlungen würden die ermittelten Fehlerzahlen zwar nicht nach viel klingen, doch man müsse "von einer riesigen Dunkelziffer ausgehen". Internationale Studien gingen davon aus, dass die Behandlung von Schäden, die vermeidbar gewesen wären, bis zu 15 Prozent der Gesundheitsausgaben ausmachten. Bezogen auf die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung seien dies fast 50 Milliarden Euro, sagte Gronemeyer. Im Oktober hatte der Medizinische Dienst diesen Prozentanteil der Fehlerkosten mit den Ausgaben der Krankenhäuser verglichen und kam auf 15 Milliarden Euro. Basis war eine Berechnung der OECD. Letztlich zeigt sich, dass es insgesamt an belastbaren Studien und damit Fakten zu dem Problem mangelt. Ärztinnen und Ärzte hätten Angst, dass ein offener Umgang mit Fehlern ihre Autorität und Glaubwürdigkeit infrage stelle, sagte Gronemeyer dem RND. "Fehler in Medizin und Pflege sind immer noch ein Tabuthema." Zudem habe die Politik Angst, das Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitssystem werde erschüttert. Beides sei irrational. Patientinnen und Patienten wüssten, dass Fehler passieren könnten. Sie entstünden zumeist in suboptimal laufenden komplexen Prozessen, an denen viele Menschen beteiligt seien. Daher brauche es eine Sicherheitskultur, wie sie etwa in der Luftfahrt verankert sei. Es brauche ein verpflichtendes Register für die Never-Events. So. könne aus Fehlern gelernt und Abläufe auf den Prüfstand gestellt werden. Ein solches Register erfordere wenig Aufwand, aber erspare viel Leid. "Es ist wirklich ein Armutszeugnis, dass es so etwas in Deutschland immer noch nicht gibt." Es brauche eine Pflicht zur Offenheit. Die Kosten im Gesundheitssystem steigen und sind daher ein zentrales Thema auch in der Politik. Zwei große bundesweite Krankenkassen heben den Zusatzbeitrag im neuen Jahr an. Wie die Techniker Krankenkasse (TK) als größte gesetzliche Kasse mit 12,3 Millionen Versicherten mitteilte, steigt ihr Zusatzbeitrag zum 1. Januar 2026 von 2,45 Prozent auf 2,69 Prozent. Damit bleibe man "deutlich unter dem Marktschnitt". Die DAK-Gesundheit als Nummer drei mit 5,4 Millionen Versicherten teilte mit, den Zusatzbeitrag von 2,8 Prozent auf 3,2 Prozent anzuheben. Damit liege man "im mittleren Beitragsspektrum" der Kassen. "Das kleine Sparpaket der Bundesregierung reicht nicht aus, um das Versprechen stabiler Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung halten zu können", sagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Bundestag und Bundesrat hatten am Freitag ein Sparpaket von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) gebilligt. Gesundheitsministerin Warken konterte nun die Kritik der Krankenkassen. "Wenn die Kassen sagen, dass nur die anderen schuld seien, machen sie es sich zu einfach", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". Jeder habe Verantwortung, "auch die Kassen". Sie habe die Finanzlücke geschlossen, nun zeige sich im Wettbewerb der Krankenkassen, wie sie jeweils damit umgingen. "Ich habe als Gesundheitsministerin den kassenindividuellen Zusatzbeitrag nicht in der Hand. Wir können die Krankenkassenbeiträge nicht so passgenau steuern wie die Beiträge in den anderen Sozialversicherungen." Das neu verabschiedete Sparpaket sieht Ausgabenbremsen vorwiegend bei den Kliniken vor und soll den Druck für erneute Anhebungen der Zusatzbeiträge zum 1. Januar 2026 vermindern. Das Ministerium hatte den durchschnittlichen Zusatzbeitrag als Orientierungsmarke für Entscheidungen der Kassen für 2026 auf dem aktuellen Niveau von 2,9 Prozent festgelegt. Die Bundesregierung hatte mehrfach versprochen, die Beiträge stabil halten zu wollen.