USA: Kritik an Finanzierung von Hepatitis-B-Impfstoffstudie

Datum20.12.2025 15:58

Quellewww.spiegel.de

TLDRDie US-Gesundheitsbehörde CDC finanziert eine umstrittene Studie zur Hepatitis-B-Impfung für Neugeborene in Guinea-Bissau, obwohl sie kürzlich eine Impfempfehlung für Neugeborene im eigenen Land zurückgezogen hat. Kritiker werfen der Studie Unethik und einen möglichen Versuch vor, die eigene Entscheidung zu legitimieren. Die Studie soll rund 14.000 Neugeborene einbeziehen, was Bedenken hinsichtlich der Impfverteilung und Forschungsethik aufwirft. Experten betonen die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs und fordern eine umfassende Impfung aller Neugeborenen.

InhaltErst nahmen die USA eine Impfempfehlung für Neugeborene gegen Hepatitis B zurück. Nun finanzieren sie eine Studie mit dem Impfstoff in Guinea-Bissau. Kritiker bezeichnen das Vorgehen als "unethisch". Die US-Gesundheitsbehörde CDC finanziert eine Studie zur Hepatitis-B-Impfung von Neugeborenen in Guinea-Bissau – und stößt damit weltweit auf scharfe Kritik. Für das fünfjährige Projekt stellt die Behörde 1,6 Millionen US-Dollar (rund 1,4 Millionen Euro) bereit  . Im eigenen Land hat die CDC gerade eine jahrzehntelange Grundsatzempfehlung gekippt: Sie rät nicht mehr bei allen Neugeborenen pauschal zu einer Impfung gegen Hepatitis B. Kritiker sehen in der Studie einen Versuch, diese umstrittene Entscheidung nachträglich zu legitimieren. Den Anstoß dazu hatte US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr gegeben. Er ist als langjähriger Impfgegner bekannt. Die geplante Studie in Guinea-Bissau lasse bei Gesundheitswissenschaftlern weltweit "die Alarmglocken läuten", zitiert der britische "Guardian"  den Mediziner Martin McKee, Professor für European Public Health an der London School of Hygiene & Tropical Medicine. "Es ist nicht klar, was die Forschungsfrage ist. Es scheint eher um die Sicherheit des Impfstoffes als um seine Wirksamkeit zu gehen, aber beides ist bereits gut etabliert", so McKee. Es liege der Verdacht nahe, dass die Studie eine "verzweifelte Suche" nach Beweisen für Nebenwirkungen des Impfstoffes sei. Für die Studie ausgerechnet Guinea-Bissau auszusuchen, erscheine ihm zudem "extrem riskant". In Guinea-Bissau ist Schätzungen zufolge jeder fünfte Erwachsene und jedes zehnte Kleinkind mit Hepatitis B infiziert. "Es werden nicht genügend Babys geimpft", sagte Andrew Pollard, Direktor der Oxford Vaccine Group der Universität Oxford dem "Guardian". "Die Priorität sollte darin bestehen, mehr Babys vor dem Virus zu schützen." Und das könne man am besten mit einer Impfung bei Neugeborenen. Die sieht die Studie aber nur für einen Teil der zu untersuchenden Babys vor. Laut US-Wissenschaftsjournal "Science"  sollen an der Studie rund 14.000 Neugeborene teilnehmen. Einige von ihnen sollen direkt nach der Geburt gegen Hepatitis B geimpft werden, die anderen sollen "die übliche Versorgung erhalten" – also vermutlich eine Impfung im Alter von etwa sechs Wochen, wie sie derzeit viele Babys in Guinea-Bissau bekommen. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, allen Babys bei der Geburt den Impfstoff zu verabreichen, aber Guinea-Bissau hat Schwierigkeiten, die Impfungen für alle Neugeborenen bereitzustellen. In Deutschland erhalten Kinder die Impfung gegen Hepatitis B üblicherweise ab einem Alter von zwei Monaten als Teil der sogenannten Sechsfach-Impfung, die auch vor Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung und Haemophilus influenzae Typ b schützt. "Es ist höchst unethisch, einigen Kindern eine Impfung zu geben, anderen aber nicht", sagte Paul Offit, Direktor des Vaccine Education Center und behandelnder Arzt am Kinderkrankenhaus von Philadelphia, dem "Guardian". Emily Smith, Epidemiologin an der George Washington University, äußerte sich in "Science" ähnlich: "Wir wissen, dass der Impfstoff sicher und wirksam ist." Aus ethischen Gründen führten Forscher in der Regel in solchen Fällen keine randomisierten, kontrollierten Studien durch, um die Auswirkungen medizinischer Interventionen zu untersuchen, sondern stützen sich stattdessen eher auf Langzeitbeobachtungen. In den USA führte die Empfehlung, allen Babys bei der Geburt den Impfstoff zu verabreichen, dazu, dass die Infektionsraten bei Kindern drastisch von 20.000 auf etwa 20 pro Jahr sanken. Kritisiert wird auch die für die Studie verantwortliche Forschergruppe um Christine Stabell Benn und Peter Aaby. In früheren Studien wurden dem Team mangelnde Transparenz, statistische Fehler und zu weitreichende Schlussfolgerungen vorgeworfen, etwa zu angeblich schädlichen "unspezifischen Effekten" bestimmter Impfstoffe. Die Nationale Ethikkommission von Guinea-Bissaus soll die Studie indes schon genehmigt haben.