Datum20.12.2025 13:59
Quellewww.spiegel.de
TLDRDie Autorin reflektiert über die veränderte Weihnachtsatmosphäre, da ihre Zwillingstöchter fast erwachsen sind. Die einst festlichen Traditionen, wie das Befüllen von Adventskalendern und handgeschriebene Wunschzettel, sind verschwunden. Stattdessen dominieren digitale Wunschlisten und das Alltagsleben der Teenager. Um das festliche Gefühl zurückzubringen, plant die Autorin, Kekse zu backen und einen Weihnachtsbaum selbst auszuwählen. Trotz der Herausforderungen sehnt sie sich nach der Magie und Vorfreude von früher und versucht, diese für ihre Familie wiederherzustellen.
InhaltGeheimnisvoll, magisch, festlich: So liebe ich Weihnachten. Aber unsere Zwillingstöchter sind inzwischen fast erwachsen. Und ich frage mich: Wie bekommt man diese einzigartige Stimmung da noch hin? Man könnte sagen, dass es mit den Adventskalendern angefangen hat. Genauer gesagt damit, dass es keine gab. Mein Mann und ich haben beschlossen, dass wir für unsere nun 16-jährigen Zwillingstöchter zum ersten Mal nicht den Stoff-Hund und die Stoff-Katze herausholen, um deren nummerierte Kitteltaschen mit kleinen Geschenken zu füllen. Wir fanden, dass unsere Töchter aus dem Alter herausgewachsen sind, sie suchen ja auch schon lange keine Ostereier mehr. Nun gut, mein Mann hat mir auch mal einen Adventskalender geschenkt, und ich habe mich darüber sehr gefreut, ganz altersunabhängig. Dann ging es weiter mit den Wunschlisten. Eine unserer Töchter hat mir eine längere Liste digital überreicht. Ich kann sie mit meinem Mann teilen, und dann können wir auch am Handy entscheiden, was nun besorgt wird und wer das übernimmt. Sehr praktisch, aber eher ein Akt moderner Bürokratie als ein Moment von Sehnsucht und Magie. Die andere hat einen einzigen Wunsch geäußert – und am nächsten Tag zurückgenommen. Schöne, handgeschriebene Zettel, vielleicht noch mit einem kleinen gemalten Weihnachtsmann? Tja, lange her und sehr vermisst. Für den nachhaltigen Adventskranz aus geflochtenem Rattan oder was auch immer das ist, den wir aus dem Keller geholt haben, waren die neu gekauften Kerzen zu groß und fielen aus der Halterung, und als wir endlich passende besorgt hatten, war schon der 3. Advent. Vor zwei Jahren haben unsere Töchter noch Weihnachtskekse mit ihren Freunden gebacken und in Dauerschleife Weihnachtslieder gehört. In diesem Jahr haben sie sich mit ihren Freundinnen und Freunden auf dem Weihnachtsmarkt getroffen. Außerdem haben sie sich mit ATP, Pyruvat und Integralen beschäftigt. Auch wenig festlich, aber dafür Oberstufen-Schulstoff. Ernüchterndes Fazit: Es kommt zu Hause nicht so richtig Weihnachtsstimmung auf. Und dabei liebe ich Weihnachten! Mir ist schon klar, so ist das halt, wenn aus Kindern Jugendliche werden. Und trotzdem wünsche ich es mir anders, wie damals, festlicher, geheimnisvoller, mit Vorfreude auf Geschenke, dazu der Geruch von Zimt. Man könnte das Weihnachts-FOMO nennen: Angst, das echte, wahre, wunderbare Weihnachten zu verpassen, das alle anderen feiern. Ich habe deshalb die Weihnachtsinitiative ergriffen: Ich werde meine Lieblings-Plätzchen-Rezepte heraussuchen und mit meinen Töchtern Kekse backen (ohne Acrylamid!), notfalls auch allein. Der Zimtgeruch ist daher kein Problem und schon mal ein Anfang. Aber das reicht nicht, habe ich gedacht. Deshalb habe ich vorgeschlagen, dass wir in den Wald fahren (okay, in eine Plantage), zum ersten Mal, und uns selbst einen Weihnachtsbaum aussuchen und ihn schlagen. Unsere Tochter sagte spontan, sie fände das sehr schön. In meiner Fantasie schneit es dabei (Magic!), aber bei 8 Grad wird das wohl nichts. Ich fühlte mich trotzdem gleich ein bisschen weihnachtlicher. Danach werde ich losgehen, Geschenke und Geschenkpapier kaufen und auf dem Weihnachtsmarkt einen Glühwein trinken, auch wenn er überteuert ist . Man muss eben was tun, um seine Ziele zu erreichen. Ach ja, unsere Töchter haben am 1. Dezember im vorwurfsvollen Ton gefragt: Warum haben wir keinen Adventskalender bekommen? Mein Mann hat dann noch schnell welche besorgt. Auch einen für mich, übrigens. Einmal die Woche erzählen fünf Mütter und Väter aus ihrem Leben und geben Lesetipps, was für Familien interessant sein könnte. (Wer wir sind, lesen Sie hier.) Schreiben Sie uns gern Ihre Gedanken zum Thema Familie, Ihre kleinen Geschichten aus dem Alltag, Ihre besonderen Momente mit Ihren Kindern! Wir würden uns freuen! Unsere Adresse: familiennewsletter@spiegel.de Hier können Sie den kostenlosen Familiennewsletter abonnieren. Meine Kollegin Julia Stanek hat darüber geschrieben, dass es an Weihnachten zu unschönen politischen Diskussionen kommen kann, und erklärt, wie man eine Eskalation vermeidet. Der Kabarettist und Pädagoge und Pubertäts-Experte Matthias Jung hat sich auch mit Konfliktgesprächen beschäftigt - mit jenen, die man mit seinen Kindern führt. Die neigen ebenfalls zur Eskalation, und ziemlich konträre Meinungen sind da auch keine Seltenheit. Ruhe bewahren und die Verbindung halten, rät Jung . Weihnachten ist als Fest der Liebe auch die Zeit, in der so einige über ihre Partnerschaft nachdenken. Nicht immer kommt man da zu einer optimalen Bilanz. Der Londoner Psychoanalytiker Stephen Grosz sagt, dass zur Liebe auch der Schmerz gehört und die Arbeit . Er hat darüber ein Buch geschrieben, vielleicht passt es ja als Weihnachtsgeschenk? Sind Sie Anfang 40 und haben keinen Partner, hätten aber gern einen? Da sind Sie nicht allein . Ich habe recht! Warum streiten wir uns? Und wie bleiben wir trotzdem verbunden? SPIEGEL Wissen zeigt, wie man Konflikte kompetent löst. Zwischen den Jahren gibt es viel Zeit, ohne Termine, ohne Schule, ohne viele Treffen mit Freundinnen und Freunden. Da wird dann gern "gechillt", was im Prinzip gut ist, außer wenn es sich auf den Konsum von Sozialen Medien beschränkt. Australien hat ein Gesetz erlassen, das unter 16-Jährigen den Zugang zu TikTok und Co. verbietet. In Deutschland gibt es dafür keine starke Lobby, aber an solchen "gechillten" Tagen wünschte ich, wir hätten eins. Aber für uns wäre es jetzt eh zu spät. Was gibt es bei Ihnen zu Weihnachten? Gans? Etwas Vegetarisches? Ich esse am liebsten Ente, gebe ich zu. Mit Rotkohl. Aber ich kann mich auch für eine Variante mit Rotkohl und Kürbis begeistern . Als ich Kind war, haben wir an Heiligabend kalt gegessen, da gab es geräucherten Lachs, geräucherte Forelle, außerdem Ragout fin in Blätterteig-Förmchen. Dann musste nicht mehr viel vorbereitet werden, und wir konnten mit aller Zeit der Welt nach und nach die mit Namen beschrifteten Geschenke aus dem Wäschekorb holen, der auf dem Esstisch stand. Wenn Sie noch nicht wissen, was bei Ihnen auf den Tisch kommen soll, dann finden Sie hier vielleicht eine Inspiration , alles vegetarisch. Und wie Sie den Tisch festlich dekorieren, erklärt Hannah Kleeberg vom Studio Herrlich: "Alle sind ein bisschen fröhlicher, wenn sich jemand Mühe gegeben hat." Einige Weihnachtsfeste haben unsere Kinder noch mit ihren Großeltern verbracht. Ich habe sie in schöner Erinnerung. Dass meine Eltern schon verstorben sind und unsere Töchter nicht mehr von ihnen profitieren können, darüber habe ich vor einiger Zeit geschrieben. Was mir dazu ein Leser geschrieben hat, ist, wie ich finde, eine schöne Einstimmung auf die Weihnachtszeit. Familie, schreibt er, ist viel mehr als Blutsverwandschaft:"Meine Großeltern spielen bis heute eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben. Besonders meine Großeltern mütterlicherseits waren während meiner Kindheit eine große Stütze – für mich und meine Schwester. Wenn unsere Eltern arbeiteten, haben sie sich liebevoll um uns gekümmert, mit uns gespielt, Ausflüge gemacht oder einfach Zeit mit uns verbracht. Diese enge Bindung besteht bis heute: Wir sehen uns meist einmal pro Woche, gehen gemeinsam ins Café oder genießen einfach den Tag miteinander. Auch wenn mein Großvater inzwischen gesundheitlich angeschlagen ist, sind diese Treffen für uns alle ein fester Ankerpunkt im Alltag. Sehr prägend war auch meine Großmutter väterlicherseits, die leider schon verstorben ist. Sie hat in meiner frühen Kindheit viel Zeit mit mir verbracht – oft holte sie mich nach der Kita ab, und wir spielten stundenlang zusammen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sie – damals schon Mitte 70 – mit mir auf dem Boden Lego spielte oder über meine kleinen Streiche lachen musste. Diese Erinnerungen sind für mich bis heute ein Stück Geborgenheit. Nach ihrem Tod hat meine Patentante (Nachbarin im selben Haus meiner Großmutter) eine Art Großmutterrolle übernommen. Sie war immer für mich da, hat mich regelmäßig gesehen, mir zu Geburtstagen und Weihnachten kleine Aufmerksamkeiten geschenkt und mir das Gefühl gegeben, dass jemand da ist, der an mich denkt. Und dann gibt es da noch jemanden, den ich ohne Blutsverwandtschaft als meinen adoptierten Großvater bezeichne. Ich habe ihn Ende 2016 kennengelernt – als Integrationskraft in meiner gymnasialen Oberstufe. Zwischen uns hat sich eine enge Freundschaft entwickelt, die bis heute anhält. Er ist für mich zu einem echten Vertrauten geworden: Wir unternehmen Wanderungen, gehen in Cafés, sprechen über alles Mögliche. Er hat mir in schwierigen Phasen Mut gemacht und mir gezeigt, was Verständnis und Wertschätzung bedeuten können – etwas, das ich in dieser Form von meinem leiblichen Großvater väterlicherseits leider erst ganz am Ende seines Lebens erfahren durfte. All diese Menschen – meine Großeltern, meine Patentante und m"adoptierter Großvater"ter" – haben mir auf ihre Weise Halt gegeben, und tun es auch noch heute. Sie haben mir gezeigt, dass Familie nicht nur durch Blutsverwandtschaft entsteht, sondern vor allem durch Zuneigung, Vertrauen und gegenseitige Zeit füreinander."Ich wünsche Ihnen friedliche, festliche und fröhliche Weihnachten! Herzlich, Ihre Marianne Wellershoff