Meinung: Österreich: Unfreundliche Grüße an den »Polit-Weihnachtsmann«

Datum20.12.2025 08:53

Quellewww.spiegel.de

TLDRDer Artikel thematisiert die hitzigen politischen Auseinandersetzungen zwischen der ÖVP und FPÖ in Österreich, die sich um die geplante Senkung der Stromsteuer drehen. Während die Regierung diese Maßnahme als positiv darstellt, kritisiert die FPÖ sie als "Mogelpackung". Trotz der verbalen Angriffe arbeiten die Parteien in mehreren Bundesländern kooperativ zusammen. Der Artikel hebt hervor, dass dieser Streit Teil der politischen Kultur in Österreich ist, während gleichzeitig ein Podcast über historische Ereignisse der NS-Zeit präsentiert wird.

InhaltÖVP und FPÖ tauschen in Wien offensiv Gehässigkeiten miteinander aus. Doch gleich ums Eck kuscheln sie ganz lieb miteinander. Das Parlament in Wien hat in dieser Woche in einer Sondersitzung die von der Bundesregierung angekündigte Senkung der Stromsteuer debattiert. Geplant ist, die Abgabe im kommenden Jahr von derzeit 1,5 Cent je Kilowattstunde (kWh) auf 0,82 Cent zu reduzieren. Für private Haushalte ist laut Gesetzesantrag ein Satz von 0,1 Cent je kWh vorgesehen. Das sind etwa vier Euro im Monat, vielleicht 50 Euro für einen Haushalt im Jahr, also nicht der ganz große Befreiungsschlag. Umso erstaunlicher das Getöse, mit dem die Regierung sehr selbstbewusst ihr Paket präsentierte. Alle Parteien sind dafür – nur die extrem rechte FPÖ nicht, die hält das für eine "Mogelpackung" der "Verlierer-Koalition", wie Parteichef Herbert Kickl im Parlament es formulierte. Bundeskanzler Christian Stocker geriere sich dabei als "Polit-Weihnachtsmann". Kickl garnierte diese Aussage am Rednerpult mit einem kräftigen "Ho Ho Ho" und fand das selbst offensichtlich sehr lustig. Die Antwort der konservativen ÖVP darauf: "FPÖ-Chef Herbert Kickl stimmt grinsend gegen die Fünf-Prozent-Senkung der Energiepreise für die Österreicherinnen und Österreicher. Offenbar will er gar nicht, dass Probleme gelöst werden. Umso größer die Probleme sind, umso breiter sein Grinsen", sagte Nico Marchetti, Generalsekretär der Regierungspartei. Pro Woche gibt es mindestens zwei derartige Mitteilungen, teils mit beleidigendem Inhalt. STANDARD und SPIEGEL erklären, was Österreich bewegt, ordnen politische Debatten ein, erzählen unbekannte Besonderheiten und analysieren die Hintergründe der Macht. Inside Austria erscheint jeden Samstag als Newsletter und Podcast. Für Inside-Austria Hörer- und Leserinnen gibt es jeweils ein besonderes Angebot: 4 Wochen SPIEGEL+ für 1 €, danach 5,99 € pro Woche sowie 3 Monate STANDARD Smart für je 5 € statt 14,90 €  . ÖVP und FPÖ schenken sich derzeit nichts, der verbale Schlagabtausch ist heftig. Das ist seltsam, denn in fünf von neun Bundesländern – Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg und in der Steiermark - schmiegen sich ÖVP und FPÖ in koalitionärer Eintracht harmonisch aneinander. In der Steiermark hat die FPÖ bereits das Kommando übernommen und stellt den Landeshauptmann, die ÖVP gibt hier den duldsamen Juniorpartner. Ein Schicksal, das ihr laut Umfragen auch in Oberösterreich und Kärnten drohen könnte. Daran werden auch die Unfreundlichkeiten, die beide Parteien einander entgegenwerfen, nichts ändern. Offenbar gehört der ritualisierte Austausch scheinbar empörter Gehässigkeiten zur politischen Folklore im Land. Winter 1945 im oberösterreichischen Mühlviertel. Die SS und Teile der lokalen Bevölkerung jagen Häftlinge, die aus dem Konzentrationslager Mauthausen geflohen sind. Viele werden aufgespürt und ermordet. Die Nationalsozialisten nennen es zynisch die "Mühlviertler Hasenjagd". Die damals 13-jährige Anna Hackl, geborene Langthaler, und ihre Familie gehören zu den wenigen Menschen in der Region, die sich den Befehlen der SS widersetzen. Zwei geflohene KZ-Häftlinge verstecken sie auf dem Heuboden ihres Bauernhofs. Doch als ein Suchtrupp in der Nähe auftaucht, wird die Hilfe lebensgefährlich – für die Verfolgten ebenso wie für die Familie. Im dritten Teil der Miniserie unseres Podcasts "Inside Austria" erinnert sich die heute 94-jährige Zeitzeugin im Gespräch mit den Hosts Lucia Heisterkamp und Antonia Rauth an die Momente, in denen alles auf dem Spiel stand. Und wir fragen, wer sich an der Jagd beteiligte, wie Täter nach 1945 zur Verantwortung gezogen wurden – und warum der Umgang mit der "Mühlviertler Hasenjagd" bis heute beispielhaft für Österreichs Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ist. Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für die Feiertage aus Wien, Ihr Michael Völker, Ressortleiter Innenpolitik und Chronik, DER STANDARD