Jobs: Arbeitsagentur: Thüringer Arbeitsmarkt besonders unter Druck

Datum20.12.2025 04:30

Quellewww.zeit.de

TLDRDer Thüringer Arbeitsmarkt ist stark unter Druck, mit der höchsten Arbeitslosenzahl seit sieben Jahren. Der Strukturwandel, insbesondere in der Automobilzulieferindustrie und energieintensiven Branchen, hat die Arbeitslosigkeit auf 67.984 erhöht. Es gibt einen signifikanten Qualifikationsmismatch, da viele Arbeitslose nicht die erforderlichen Fähigkeiten für die offenen Stellen haben. Um den Fachkräftemangel zu bewältigen, sind gezielte Qualifizierungsmaßnahmen und Unterstützung für Unternehmen entscheidend. Trotz der Herausforderungen gibt es Chancen, insbesondere durch Investitionen in die Bauindustrie.

InhaltHier finden Sie Informationen zu dem Thema „Jobs“. Lesen Sie jetzt „Arbeitsagentur: Thüringer Arbeitsmarkt besonders unter Druck“. Thüringen verzeichnet derzeit die höchste Arbeitslosenzahl seit sieben Jahren. Der Strukturwandel trifft unter anderem die Automobilzulieferer und energieintensive Branchen wie Glas und Keramik, sagt Markus Behrens, Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit Sachsen-Anhalt-Thüringen. Dabei gibt es im Land teils große Unterschiede.  Behrens: Unterm Strich ist die Arbeitslosigkeit gestiegen und die Beschäftigung hat sich eher rückläufig entwickelt. Thüringen ist in dieser Phase stärker unter Druck geraten als Sachsen-Anhalt – wir spüren Konjunkturflaute und Strukturwandel, gerade in industriell geprägten Regionen. Auch die Zeitreihe zeigt das: Im November 2025 lagen wir bei 67.984 Arbeitslosen und damit höher als im Pandemie-November 2020 als wir 64.427 Arbeitslose hatten. Das ist ein neuer Höchstwert in den vergangenen sieben Jahren.  Die Transformation trifft vor allem Bereiche, in denen Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse umgestellt werden müssen – das sehen wir besonders im Umfeld der Automobilzulieferer. Dazu kommen Belastungen für energieintensive Branchen. In Thüringen betrifft das unter anderem Glas und Keramik. Im Süden von Thüringen gibt es außerdem viele Menschen, die zum Arbeiten nach Bayern pendeln und auch dort von wirtschaftlichen Problemen betroffen sind. Für viele Betriebe ist entscheidend, dass Energiepreise und Rahmenbedingungen wieder verlässlicher und wettbewerbsfähiger werden. Wir haben weiterhin rund 15.000 offene Stellen in Thüringen. Das Kernproblem ist der Qualifikations-Mismatch: Rund 80 Prozent der Jobs sind auf Fachkräfteniveau, im Arbeitslosenbestand sind aber fast zwei Drittel nicht entsprechend qualifiziert – dazu kommen regionale und mobilitätsbedingte Hürden. Deshalb ist Qualifizierung das A und O. Die Spreizung ist enorm: Im Eichsfeld liegen wir bei rund 4 Prozent Arbeitslosigkeit, in Erfurt bei etwa 10,2 Prozent. Solche Unterschiede hängen mit Branchenmix, Standortfaktoren und auch damit zusammen, wo Menschen hinziehen – etwa dorthin, wo Wohnraum verfügbar ist. Eine sehr große. Seit September 2017 wächst Beschäftigung bei uns im Wesentlichen nur noch, weil mehr Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit arbeiten – die Zahl der deutschen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten geht in der Tendenz leicht zurück. In Thüringen sind inzwischen mehr als 80.000 Ausländer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das wird für uns mit Blick auf die demografische Lücke immer wichtiger. Hier liegt Thüringen aber noch weit unter dem Bundesdurchschnitt.  Der Sprachkurs-Berg ist größtenteils abgetragen, aber eben noch nicht komplett: Einige warten weiterhin auf Kurse. Jetzt kommt Stufe zwei: Menschen in Arbeit bringen – und zwar möglichst passend zur Qualifikation, also über Anerkennungsverfahren dahin, dass Akademiker als Akademiker und Fachkräfte als Fachkräfte arbeiten. Dafür braucht es aber auch einen langen Atem. Aus der Zeit ab 2015 wissen wir, dass am Ende rund 70 Prozent in Beschäftigung ankommen können. Sie nimmt zu und liegt in beiden Ländern in Richtung 40 Prozent Anteil – das ist hoch. Entscheidend ist, Menschen je nach Ausgangslage abzuholen: Manche brauchen eine kurze Qualifizierung, andere erst wieder Struktur und Stabilisierung – etwa über Beschäftigungsgelegenheiten –, bevor der Übergang in reguläre Arbeit gelingt. Finanzielle Spielräume für Arbeitsmarktpolitik sehen wir dafür aktuell durchaus. Für Jugendliche ist das eine Chance, weil Auswahl und Einstiegsmöglichkeiten größer sind. Für Unternehmen ist es eine Herausforderung, weil Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben können und das verschärft später den Fachkräfteengpass. Als Arbeitsagentur unterstützen wir mit Berufsberatung, Vermittlung, Bewerbungshilfen und digitalen Angeboten. Nicht nur bei der Ausbildung, sondern auch bei der Vermittlung. Betriebe sollten sich deswegen bei Problemen frühzeitig bei uns melden, damit wir als eine Art Marktdrehscheibe Arbeitskräfte rechtzeitig weitervermitteln können.  Behrens: Der Umfang der Veränderungen momentan schmerzt in vielen Bereichen. Ich glaube trotzdem, dass wir viele Chancen haben, uns aus der schwierigen konjunkturellen Phase zu befreien. Das kann vor allem für die Bauindustrie gelten mit dem Investitionsprogramm bei der Infrastruktur. Gleichzeitig müssen Unternehmen aber auch schauen, in welche Richtungen sie sich weiterentwickeln können. Das Gleiche gilt auch für Beschäftigte. Hier ist Weiterbildung der Schlüssel. © dpa-infocom, dpa:251220-930-449046/1