Bei der Frage nach Bundeswehrsoldaten in der Ukraine weicht Merz aus

Datum17.12.2025 07:06

Quellewww.spiegel.de

TLDR

InhaltEuropa plant eine Schutztruppe für die Ukraine, doch Deutschland zögert. Kanzler Merz lässt einen Bundeswehreinsatz offen, auch andere Spitzenpolitiker dämpfen die Erwartungen. Nach dem europäischen Vorstoß für eine Truppe zur Überwachung eines möglichen Waffenstillstands in der Ukraine bleibt unklar, wie sich Deutschland beteiligen könnte. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ließ im ZDF  die Frage nach einem Einsatz der Bundeswehr offen. Der Kanzler dämpfte die Hoffnung auf einen schnellen Frieden. Auch die Chance einer EU-Einigung zur Nutzung des eingefrorenen russischen Vermögens bewertete er nur mit "fifty-fifty". Mehrere europäische Staaten hatten sich nach zweitägigen Verhandlungen mit der Ukraine und den USA am Montag für eine von Europa geführte "multinationale Truppe für die Ukraine" ausgesprochen. Diese von Europa geführte und den USA unterstützte Truppe soll die ukrainischen Streitkräfte unterstützen und die Sicherheit des Luftraums und der Meere gewährleisten. Dies solle "auch durch Operationen innerhalb der Ukraine" geschehen, hieß es. Auf die direkte Frage, ob sich die Bundeswehr beteilige, wich Merz aus. Er sagte, zu der Koalition der Willigen gehörten nicht nur europäische Staaten, sondern zum Beispiel auch Kanadier, Australier und andere Nationen der Welt. "Wenn es denn einmal so weit kommen sollte, wird es ja ein Waffenstillstandsabkommen mit Russland sein", sagte der Kanzler. Auf einen Einwand der Interviewerin, dass der russische Präsident Wladimir Putin einen Einsatz ausländischer Truppen in der Ukraine ablehne, sagte Merz: "Putin hat zu vielem Njet gesagt, er wird irgendwann auch mal Ja sagen müssen, wenn es darum geht, diesen Krieg zu beenden. Das ist die Zeit nach dem Ende dieses Krieges, über die wir jetzt gerade sprechen, und für diese Zeit danach braucht die Ukraine Schutz." Zuvor hatten auch die Fraktionsspitzen der Regierungsparteien Union und SPD eine deutsche Beteiligung offen gelassen. Einem Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine-Truppe müsste der Bundestag zustimmen. Deswegen ist die Haltung der beiden Koalitionsfraktionen von Union und SPD entscheidend. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch schloss eine deutsche Beteiligung nicht aus. Doch sagte er, die bei den Ukrainegesprächen in Berlin verabschiedete Erklärung sei sehr breit. Die nächsten Wochen müssten zeigen, was sich daraus ergebe. Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil äußerte zurückhaltend zur Frage einer Beteiligung deutscher Soldaten an einer Friedenssicherung für die Ukraine. "Wir sollten nicht den fünften Schritt vor dem ersten machen, sondern die Debatte führen, wenn sie wirklich ansteht", sagte Klingbeil der "Neuen Osnabrücker Zeitung" auf die Frage nach einer möglichen Beteiligung. "Klar ist: Deutschland wird immer seiner Verantwortung gerecht werden. Wir sind schon heute der größte Unterstützer der Ukraine", fügte der Vizekanzler hinzu. Die entscheidende Frage sei jetzt, "ob sich (der russische Präsident Wladimir) Putin bewegt. Er ist derjenige, der diesen Krieg begonnen hat und diesen Krieg sofort beenden kann. Er ist derjenige, der die Verantwortung für das tägliche Sterben trägt. Der Ball liegt jetzt bei ihm. Ich habe weiterhin große Zweifel daran, ob Putin Frieden will", sagte Klingbeil. Nach Ansicht der FDP-Außenpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann müsse Deutschland "selbstverständlich" Teil einer möglichen multinationalen Truppe sein zur Sicherung der Ukraine sein. "Frankreich und Großbritannien stehen ja bereits bereit. Die Bundesregierung hat dazu bis Montag geschwiegen. Aber selbstverständlich muss sich Deutschland an einer solchen multinationalen Truppe beteiligen, um die Ukraine gegen zukünftige Angriffe zu schützen", sagte Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Sicherheits- und Verteidigungsausschusses im Europäischen Parlament, dem "Tagesspiegel". Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte, das von den Europäern unterbreitete Angebot sei ein Bekenntnis zur Mitverantwortung. "Wenn Putin sagt, wohin er die Reise gehen will, dann werden wir weiter sehen, woraus das im Einzelnen bestehen kann." Pistorius und sein britischer Amtskollege John Healey leiteten eine virtuelle Sitzung der Ukraine Defence Contact Group (UDCG), in der mehr als 50 Nationen Militärhilfe für die Ukraine organisieren. Healey sprach mit Blick auf die Berlin-Gespräche von einem wesentlichen Moment in dem Krieg und Signalen des Fortschritts in den Friedensgesprächen. Er bereite die britischen Streitkräfte vor, "so dass wir einsatzbereit sind, wenn es Frieden gibt – mit Truppen am Boden und Jets in der Luft". Allerdings lasse Putin seine brutalen Angriffe auf die Ukraine fortsetzen. In den vergangenen beiden Monaten seien 20.000 Drohnen und Raketen auf die Ukraine abgefeuert worden. Zentral für das weitere Vorgehen der Europäer wird sein, wie die EU über die "frozen assets" entscheidet. Im Mittelpunkt der am Donnerstag beginnenden Beratungen steht die Frage, ob das in der EU eingefrorene russische Staatsvermögen in dreistelliger Milliardenhöhe für die Unterstützung der Ukraine genutzt werden soll. Merz hat sich an die Spitze der Befürworter gesetzt. Ein Scheitern wäre also auch sein Scheitern. Kurz vor einem der wichtigsten EU-Gipfel der vergangenen Jahre gibt Merz im Bundestag eine Regierungserklärung (15.05 Uhr) zu dem Treffen der 27 Staats- und Regierungschefs in Brüssel ab. Während des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hatte Merz betont, dass es um eine "Schlüsselfrage" für die EU gehe, die jetzt gelöst werden müsse. Wenn das nicht geschehe, sei die Handlungsfähigkeit Europas "massiv beschädigt". Und die Ukraine müsste fürchten, dass die finanzielle und militärische Unterstützung aus der EU nach und nach versiegt. In Regierungskreisen ist von einer "Schicksalswoche" für Europa die Rede. Die Lehren aus den Verhandlungen von Berlin: In der deutschen Hauptstadt sind Ukrainer und US-Seite einander nähergekommen. Aber in wichtigen Fragen bleibt man uneins, und die Russen saßen nicht mit am Tisch. Lesen Sie hier  , was von dem Treffen bleibt.