Uganda: Keine Entwicklungshilfe mehr? Jetzt bauen sie eben einen Hafen

Datum13.10.2025 18:32

Quellewww.zeit.de

TLDRIn Uganda führte der Stopp der US-Entwicklungshilfegelder durch Donald Trump zu gravierenden Problemen im Gesundheitssektor, da lebenswichtige Medikamente fehlen. Jennifer Okello, eine HIV-positive Mutter, erlebte die Verzweiflung, als ihre Klinik schließen drohte. Die Entscheidung belastet besonders die vom Bürgerkrieg gezeichnete Region Gulu, wo zahlreiche NGOs zuvor wichtige Hilfe leisteten. Der Rückgang der Gelder hat dramatische Auswirkungen auf die Gesellschaft, da viele Projekte und der Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten gefährdet sind.

InhaltDonald Trump streicht Hilfsgelder, in Uganda fehlen jetzt lebenswichtige Medikamente, Patienten verzweifeln. Trotzdem finden einige, der US-Präsident sei ein Segen. Ein paar Tage nachdem Donald Trump die Hilfsgelder der USA stoppte, beschloss Jennifer Okello zu sterben. Okello lebt in Uganda, ist verwitwet, Mutter von fünf Kindern und HIV-positiv. Sie möchte nicht, dass ihr richtiger Name in der Zeitung steht. Damit die Krankheit Aids Okello nicht langsam tötet, muss sie eine Pille schlucken, die das Virus in ihrem Körper unterdrückt, jeden Morgen, bis ans Ende ihres Lebens. Seit Jahren schon holte sie sich ihre Medikamente aus einer Klinik im Zentrum von Gulu, einer Stadt im Norden des Landes. Die hatte sich bisher vor allem mit Geld aus den USA finanziert. "Dann hörte ich, dass sie dichtgemacht hat. Da hatte ich noch zwei Tabletten übrig", so erzählt Okello es heute, ein halbes Jahr später. Wegen ihrer Todesangst habe sie nicht mehr schlafen und nichts mehr essen können, und sie habe Durchfall bekommen. "In diesem Moment verlor ich jegliche Hoffnung. Meine restlichen Tabletten wollte ich nicht mehr nehmen. Ich beschloss: Wenn ich schon sterben muss, dann soll es so schnell wie möglich beginnen." Nach ein paar Tagen raffte sich Okello doch wieder auf und ging noch einmal zur Klinik, die, entgegen allen Gerüchten, geöffnet war. Sie bekam ihre Medikamente und fasste neues Vertrauen. Andere schafften das nicht: Ein Bekannter, ebenfalls HIV-positiv, habe sich das Leben genommen. Völlig unvermittelt wickelte US-Präsident Donald Trump im Januar USAID ab, das Hilfs- und Entwicklungsprogramm der USA. Bis dahin waren die Vereinigten Staaten mit Abstand der größte und wichtigste Geldgeber für Entwicklungshilfe-Projekte. Mehr als 60 Milliarden Dollar flossen jährlich in den Globalen Süden, finanzierten Schulen und Impfkampagnen, Fortbildungen für Kleinbauern und Notrationen in Bürgerkriegsgebieten. Ein Teil der Programme ist seit dem Stopp wieder angelaufen, der größte Teil aber weggefallen, für immer. Am stärksten betroffen ist der Gesundheitssektor. Ein neuer Bericht des Institute for Health Metrics and Evaluation der University of Washington zeigt, dass von 2024 auf 2025 im Gesundheitsbereich weltweit neun Milliarden Dollar fehlen. Den größten Anteil daran hat der Wegfall der Gelder aus den USA, das Land steuerte zuvor 35 Prozent der globalen Entwicklungsgelder für Gesundheit bei. Der Norden von Uganda ist ein guter Ort, um die Folgen von Trumps Entscheidung zu verstehen. Gulu, Heimat von Jennifer Okello und mit 250.000 Einwohnern die größte Stadt in der Region, hat eine gewaltvolle Geschichte. Mehr als zwei Jahrzehnte lang war sie das Epizentrum eines Bürgerkriegs. Truppen der Lord’s Resistance Army des Warlords Joseph Kony brannten Dörfer nieder, vergewaltigten Frauen und machten Kinder zu Sklaven oder Soldaten. Der Krieg hinterließ Tausende Waisen, mehr als 1,6 Millionen Vertriebene und unendlich viel Zerstörung. In den Jahren danach wurde Gulu deshalb vom Epizentrum eines Kriegs zum Sitz Hunderter Hilfs- und Entwicklungsorganisationen – von einstigen Nachbarschaftsinitiativen über nationale Organisationen bis hin zu global agierenden NGOs. Sie halfen traumatisierten Frauen, versorgten die Opfer von Verstümmelungen, zeigten Bäuerinnen und Bauern, wie ökologische Landwirtschaft funktioniert, bauten Schulen für Waisen und halfen bei der Familienplanung. Bis heute ist die NGO-Dichte hier höher als in jedem anderen Teil des Landes. Fährt man mit dem Auto durch die Stadt, kommt man an den Büros von Save the Children, Feed the Children und Support the Children vorbei; den Campus der Vereinten Nationen teilen sich das UN-Entwicklungsprogramm, die Weltgesundheitsorganisation, UN Women und der United Nations Population Fund. In Gulu konnte man Versöhnung und Wiederaufbau verfolgen – aber auch, wie sich eine ganze Region durch internationale Gelder veränderte. Die am besten ausgebildeten Fachkräfte gingen zu NGOs, während der ugandische Staat teils vergeblich um Beamte warb. Die vielen Hundert Projekte konkurrierten miteinander um Geld, Organisationen richteten ihre Arbeit nach den Präferenzen der Geber aus, anstatt darüber nachzudenken, wie sie sich langfristig selbstständig finanzieren könnten. Gulu wurde zum Labor dafür, was passiert, wenn eine Gesellschaft von Hilfsleistungen abhängt – und seit Januar auch dafür, was passiert, wenn ein Großteil dieses Geldes über Nacht wegbleibt.