Sparvorschläge von Nina Warken: So wird das wohl nichts

Datum14.10.2025 14:31

Quellewww.zeit.de

TLDRGesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat Sparvorschläge für die gesetzliche Krankenversicherung vorgestellt, um Beitragserhöhungen zu vermeiden. Geplant sind Einsparungen von 1,8 Milliarden Euro bei Krankenhäusern und weitere 200 Millionen Euro bei Verwaltungskosten und Innovationsfonds. Kritiker warnen jedoch, dass das tatsächliche Defizit höher sein könnte und die Zusatzbeiträge trotzdem steigen könnten. Der Plan stößt auf Skepsis, da er vorrangig bei Kliniken ansetzt, während Möglichkeiten zur Einsparung bei der Pharmaindustrie ungenutzt bleiben.

InhaltKurz vor knapp erklärt die Gesundheitsministerin, wie sie weitere Beitragserhöhungen in der Krankenversicherung verhindern will. Doch Warkens Plan hat große Schwächen. Endlich ist es so weit. Nach wochenlangem Warten hat Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) Vorschläge vorgelegt, wie in der gesetzlichen Krankenversicherung gespart werden soll. Ihr erklärtes Ziel: Versicherte und Arbeitgeber sollen zum Jahreswechsel keine höheren Beiträge zahlen müssen. Konkret plant Warken, 1,8 Milliarden Euro bei den Krankenhäusern einzusparen, 100 Millionen bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen und 100 Millionen beim Innovationsfonds, aus dem etwa Projekte zu neuen Versorgungsformen finanziell gefördert werden. Doch der Plan der Ministerin hat drei relevante Schwachstellen. Erstens: Die Gefahr, dass die Zusatzbeiträge steigen könnten, bleibt bestehen. Warkens Vorschläge sollen insgesamt ein Defizit von zwei Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung stopfen. Doch Beobachter gehen davon aus, dass die Lücke tatsächlich größer sein dürfte, zuletzt war die Rede von vier Milliarden Euro. Denn Warken orientiert sich bei dem Zweimilliardendefizit offenbar an der positiven Wirtschaftsprognose ihrer Kabinettskollegin Katherina Reiche (CDU) aus der vergangenen Woche. Die Wirtschaftsministerin hat die Frühjahresprognose 2026 auf 1,3 Prozent nach oben korrigiert und damit indirekt auch mehr Einnahmen für die Krankenkassen in Aussicht gestellt. Das Problem: Selbst wenn sich die optimistische Prognose bewahrheiten sollte, drohen die Beiträge zum Jahreswechsel trotzdem zu steigen. Das liegt daran, dass den Krankenkassen gesetzlich vorgegeben wird, Mindestreserven in Höhe von 20 Prozent einer Monatsausgabe vorzuhalten. Dies dürfte einem großen Teil der Kassen bis Jahresende nicht gelingen, da die zur Auffüllung vorgesehenen Überschüsse aktuell nicht ausreichen. "Der Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent, den die Versicherten aktuell im Durchschnitt zahlen, wird zum Jahreswechsel nicht stabil bleiben können", sagt Gesundheitsökonom Jürgen Wasem im Gespräch mit der ZEIT. "Allein wegen der Auffüllung der Mindestreserven werden viele Kassen im kommenden Jahr den Zusatzbeitragssatz um 0,1 oder 0,2 Prozentpunkte anheben müssen." Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünenfraktion, fürchtet einen noch höheren Anstieg. "Die konjunkturelle Schönrechnung von Ministerin Warken soll Stabilität vorgaukeln, wo in Wahrheit ein wachsendes Finanzloch klafft", sagt Dahmen der ZEIT. "Schon jetzt ist klar, dass ihr Sparpaket Beitragssteigerungen nicht verhindern wird, sondern kurzfristig nur kaschiert." Alle seriösen Prognosen rechneten für 2026 mit einem realen Anstieg des Zusatzbeitrags von derzeit 2,9 auf mindestens 3,2 Prozent, sagt Dahmen. "Für Millionen Beitragszahlende bedeutet das faktisch einen relevanten Nettoklau aus ihrem Portemonnaie." Zweitens: Die geplanten Einsparungen bei den Krankenhäusern in Höhe von 1,8 Milliarden Euro gelten unter Experten grundsätzlich als sinnvoll – schließlich entfällt der größte Posten der Kassenbeiträge auf die stationäre Versorgung. Vereinfacht gesagt sollen künftig die Abrechnungen der Kliniken mit den Kassen nicht stärker steigen dürfen als die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Kostensteigerung im Krankenhauswesen insgesamt. Allerdings rief der Vorschlag trotzdem erhebliche Irritationen hervor. Denn erst in der vergangenen Woche hat Warken einen gegenteiligen Anreiz gesetzt: Das Kabinett beschloss, den Krankenhäusern rund vier Milliarden Euro aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz auszuzahlen – genannt "Soforttransformationskosten". Hinter dem schönen Begriff verbirgt sich eine pauschale Unterstützung aller Kliniken per Gießkanne. Der Auszahlungsmechanismus ist so gewählt, dass er für die Krankenhäuser den Anreiz erhöht, künftig besonders viele Eingriffe vorzunehmen. Dabei soll die kürzlich angepasste Krankenhausreform die Anzahl der Leistungen eigentlich reduzieren, vor allem, wenn sie medizinisch fragwürdig sind. Der Bundesrechnungshof kritisiert den Geldsegen: Es bestehe die Gefahr, "dass die strikte Zweckbindung des Sondervermögens ausschließlich für Investitionen durch diese Konstruktion unbemerkt durchbrochen wird", teilten die Rechnungsprüfer bereits im August in einem Bericht an den Haushaltsausschuss mit. Es handele sich letztlich um eine flächendeckende Subventionierung der gesamten Krankenhauslandschaft. Nun sollen bei den Kliniken gleichzeitig 1,8 Milliarden Euro gekürzt werden. Das erweckt den Eindruck, als gebe es eine Umschichtung aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen hin zur gesetzlichen Krankenversicherung, um die Beiträge stabil zu halten. Paula Piechotta, Haushaltspolitikerin der Grünenbundestagsfraktion warnt, Warken gefährde so das Ansehen der deutschen Finanzpolitik bei den internationalen Anlegern, die Deutschland Schulden gewähren. "Wenn sich bei diesen die Erkenntnis durchsetzt, dass Deutschland mit Milliardenschulden Löcher in den Sozialversicherungen stopft, statt wettbewerbsfähiger zu werden, werden die internationalen Anleger höhere Zinsen von Deutschland fordern", warnt Piechotta. Drittens: Auffällig ist, in welchen Bereichen Warken nicht spart: etwa bei der Pharmaindustrie. Dabei sind sich Experten und Krankenkassen einig, dass bei Arzneimitteln die Ausgaben im internationalen Vergleich unverhältnismäßig hoch sind. Auch die SPD ist in diesem Bereich offen für Sparmaßnahmen, etwa in Form eines höheren Herstellerrabatts für patentgeschützte Arzneimittel. Doch Warken hat hierzu nichts durchgesetzt, offenbar, um aus ihrer Sicht die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Pharmafirmen nicht zu schwächen. Zurückhaltend bleibt die Koalition auch bei einer stärkeren Belastung der Patienten: Ursprünglich kursierte der Vorschlag, Versicherte etwa mit höheren Zuzahlungen bei Medikamenten und Krankenhausbesuchen stärker finanziell zu beteiligen. Doch gegen diesen Vorstoß wehrte sich wiederum die SPD, die mahnte, dass "Gesundheit keine Frage des Geldbeutels" werden dürfe, wie es Generalsekretär Tim Klüssendorf formulierte. So blieben am Ende vor allem die Sparideen, die in der Koalition weitgehend unstrittig sind – und damit auch weit entfernt von großen, mutigen Reformideen. "Ich finde es problematisch, wenn bei Kostendämpfungsrunden nur einzelne Sektoren rausgegriffen werden", kritisiert Ökonom Wasem das Sparpaket. Bei den Versicherten sei das letzte Mal 2004 die Selbstbeteiligung erhöht worden. "Seitdem sind die Löhne stark gestiegen, entsprechend sollte auch die Selbstbeteiligung steigen. Dass diese Sparmaßnahme erst mal vom Tisch ist, halte ich für einen Fehler."  Schon am Mittwoch soll Warkens Paket vom Kabinett beschlossen werden. Die Einigung kommt auf den letzten Metern: Am selben Tag trifft sich der sogenannte Schätzerkreis, ein Gremium, das die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der Krankenversicherung für das kommende Jahr berechnet und auf dieser Grundlage den durchschnittlichen Zusatzbeitrag 2026 empfiehlt. Nun besteht die Sorge, dass sich der Schätzerkreis – womöglich auch auf Druck des Gesundheitsministeriums – zu einer günstigen Prognose hinreißen lassen könnte, die sich dann im Laufe des Folgejahres als falsch herausstellt. Es wäre nicht das erste Mal: Schon in den vergangenen zwei Jahren wurde die Schätzung deutlich zu optimistisch gerechnet.